Peter Pohl, Meine Freundin Mia

Das Leben der elfjährigen Lena Johansson ist voll von Kummer und Sorgen. Nicht nur, dass sie ihren Vater nicht kennt, muss sie sich auch um ihren kleinen Bruder und den Haushalt kümmern, während ihrer alkoholsüchtigen Mutter das Leben völlig aus den Händen gleitet.

Lenas Leben ist vollständig von der Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter gezeichnet, die sich hinter ihrer Wohnungstür, wie hinter einer Festung verschanzt und nichts mehr fürchtet, als unerwarteten Besuch. Da kann es schon mal zum Problem werden, wenn sie ihren Haustürschlüssel vergisst.

„Du hast einen Schlüssel! Sieh selber zu, wie du reinkommst! Ich mach nicht auf, wenn es läutet. Da könnte ja Gott weiß wer vor der Tür stehen!“ (7)

Auch das Gefühlsleben der 11-Jährigen richtet sich vollkommen nach dem Alkoholkonsum ihrer Mutter. Und da gibt es auch noch Lenas kleinen Bruder Ola, den sie für ihre Mutter immer nachmittags von der Vorschule dem „Sonnenhaus“ abholen und sich regelmäßig Ausreden einfallen lassen muss, weshalb ihre Mutter nichts selbst vorbei kommt. Als Olas Erzieherin Anneli erklärt, dass sie dringend mit Lenas Mutter sprechen muss, dichtet Lena ihrer Mutter rasch eine schwere Herzkrankheit an.

Lenas Probleme wirken sich natürlich auch auf Lenas Schulleben aus. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht zu spät in der Schule erscheint, weil sie sich neben dem Frühstück auch noch um Ola kümmern muss, den sie früh morgens in die Vorschule bringt. All das wäre unerträglich, gäbe es da nicht Lenas Freundin Mia, die sie immer wieder mit ihrer guten Laune und ihren spannenden Geschichten über ihre zahlreichen Geschwister aufheitern würde.

Und auch der kleine Ola hat im gleichaltrigen Jocke in der Vorschule einen guten Freund gefunden, bei dem er eines Tages zum Spielen am Nachmittag und später sogar zum Übernachten eingeladen wird. Jockes Mutter Solveig kommt recht schnell dahinter, dass sich hinter Lena gespielter Sorglosigkeit familiäre Probleme verbergen, ohne sie gleich darauf anzusprechen.

Als eine Kinderbuchautorin die Schule besucht und mit den Kindern über ihre Bücher und über ihre eigenen Probleme mit ihren alkoholabhängigen Eltern spricht, erfährt Lena erstmals, dass es sich bei der Alkoholsucht ihrer Mutter um nichts Einmaliges handelt, sondern dass jeder fünfte erwachsene Schwede davon betroffen sei. Die Autorin erzählt aber auch über die Kraft der Freundschaft, die ihr aus dieser schweren Zeit geholfen habe.

„Der Mensch ist eine einsame Insel“, sagt Lena mit dumpfer, gespielt feierlicher Stimme. „Ein Glück, dass es Brücken gibt …“ Mia spielt mit. „Von einer einsamen Insel zu anderen. Ein Freund ist eine Brücke über dunkles Wasser. Genau wie die Autorin gesagt hat.“ „Sie hat gesagt: ein Weg aus der Dunkelheit hinaus.“ (36)

Obwohl Mia Lenas beste Freundin ist, hat sie nie etwas vom Problem ihrer Mutter erzählt. Als Lenas Mutter eines Abends Männerbesuch erhält, droht die Situation mit zunehmendem Alkoholkonsum zu eskalieren. Lena gelingt es, mit Hilfe ihre Mutter, sich vor dem gewalttätig werdenden Mann in Sicherheit zu bringen. Sie flüchtet zu ihrer Freundin Mia und sieht sich gezwungen, ihr die Wahrheit über ihre Familie zu erzählen. Dabei entdeckt sie, dass es auch in Mias Leben Geheimnisse gibt.

Peter Pohl gelingt es das Thema Alkoholismus in der Familie auf eindringliche Weise zu thematisieren. Er beschreibt die Mechanismen mit denen die Familienmitglieder zu kämpfen haben und die komplizierte Verdrängungsarbeit, mit der sie ein nach außen hin normales Familienleben vorspielen. Pohl beschreibt aber auch, wie Kinder alkoholabhängiger Eltern um ihre Kindheit gebracht und von ständigen Schuldgefühlen geplagt werden und ohne Hilfe nicht verstehen können, was sich in der Familie eigentlich abspielt.

Bei allem sozial-pädagogischem Ansatz ist Peter Pohls Buch aber vor allem ein Buch, das die Hoffnung weiter gibt, dass Freundschaft und Vertrauen sowie die Bereitschaft, den Kerker des Schweigens gegenüber anderen zu verlassen, die ersten Schritt sind, um das eigene Leben wieder zurück zu gewinnen. Ein überaus empfehlenswertes Kinderbuch zu einem wichtigem Thema.

Peter Pohl, Meine Freundin Mia. Übers. v. Brigitta Kicherer, ab 10 Jahren
München: Carl-Hanser-Verlag 2012, 144 Seiten, 13,30 €, ISBN 978-3-446-23791-9

 

Weiterführende Links:
Hanser-Verlag: Peter Pohl, Meine Freundin Mia
Wikipedia: Peter Pohl

 

Andreas Markt-Huter, 04-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Peter Pohl

Buchtitel

Meine Freundin Mia

Originaltitel

En vän som heter Mia

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Carl-Hanser-Verlag

Übersetzung

Brigitta Kicherer

Seitenzahl

144

Preis in EUR

13,30

ISBN

978-3-446-23791-9

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Der in Deutschland geborene Peter Pohl zählt zu den bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchautoren der Gegenwart. 1945 kam er nach Schweden und wuchs in Stockholm auf. Pohl war unter anderem als Sportlehrer und Leiter bei Jugendfreizeiten tätig. Später arbeitete er am Forschungsinstitut der schwedischen Streitkräfte und promovierte in Mathematik.