Sarah N. Harvey, Drei kleine Wörter
„Über all die Jahre, die er schon bei Megan und Caleb wohnt, sind Dutzende Kinder gekommen und gegangen. Manche bleiben länger als andere, aber keines ist so lange geblieben wie Sid. Vierzehn Jahre. Damals hatte Megan ihn als Zweijährigen aus dem Wasser gefischt …“ (9)
Sid ist ein sechzehnjähriger Junge, der bei seinen Adoptiveltern auf einer Insel in Kanada lebt. Sid, wurde von Deborah, seiner manisch depressiven Mutter als Kind auf einem kleinen Boot zurückgelassen und von Megan und Caleb aufgezogen und ist seinen Eltern bei der Erziehung zahlreicher Pflegekinder behilflich, die im Laufe der Jahre bei ihnen eingezogen sind und die Familie wieder verlassen haben.
Sid ist ein stiller Junge, der es liebt, seine Gedanken und Gefühle durch Zeichnungen auszudrücken. Im Gegensatz zu ihm ist seine beste Freundin Chloe ein einziges Energiebündel. Eines Tages bringt Megan die kleine, dunkelhäutige Fariza mit nach Hause, die seit der Ermordung ihrer Mutter zu sprechen aufgehört hat. Im Laufe der Zeit entwickelt sich Sid für Fariza zu einer wichtigen Vertrauensperson.
Als plötzlich ein Mann namens Phil auftaucht, der sich als Freund von Sids leiblicher Mutter ausgibt, wird Sid vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Seine Mutter Deborah und sein dreizehnjähriger Halbbruder Wain sind seit einigen Tagen verschwunden und seine Großmutter Elizabeth, die erst seit kurzem weiß, dass Sid ihr Enkel ist, hat Phil gebeten, Sid zu ihr zu holen. Sie hofft durch Sids Anwesenheit und mit seiner Hilfe Wain zu finden, der schon öfters von zu Hause weggelaufen ist.
Hin- und hergerissen zwischen Abneigung und Neugier beschließt Sid zu seiner Großmutter zu fahren, um seine richtige Familie kennenzulernen und seinen Halbbruder zu suchen. Auf einem Foto muss er zu seinem Erstaunen feststellt, dass ihm sein jüngerer Halbbruder überhaupt nicht ähnlich schaut.
Schwarz wie Tinte. Boah! Bis jetzt hat er sich Gawain als Miniaturausgabe seiner eigenen Person vorgestellt: rothaarig, blass, drahtig, ruhig. Der Jungen auf dem Bild hat eindeutig nichts von alldem. (83)
Schon bald kann er Wain auf einer kleinen Insel ausfindig machen und nach Hause bringen. Er muss feststellen, dass auch Wain unter der Krankheit seiner Mutter zu leiden hatte und sein Verhalten und seine Umgangsformen alles andere als einfach sind. Er bietet seiner Großmutter an, ihn zu seinen Adoptiveltern Megan und Caleb zu begleiten, um für ein paar Tage auf der Insel Abstand von allem zu gewinnen. Nachdem Sid seine Großmutter und Wain mit nach Hause genommen hat, erreicht sie die Nachricht, dass Deborah aufgetaucht sei und im Krankenhaus behandelt werden muss.
„Drei kleine Wörter“ ist die ergreifende Geschichte eines Jungen, der als Kleinkind von seiner Mutter zurückgelassen wurde, sich aber durch die Liebe seiner Pflegeeltern im Laufe der Zeit zu einem einfühlsamen und mitfühlenden jungen Menschen entwickelt. Dabei steht die Sicherheit und Geborgenheit der Familie im Mittelpunkt, die sein Halbbruder Wain mit seiner psychisch erkrankten Mutter nicht erleben konnte.
Eine überaus ergreifende und empfehlenswerte Familiengeschichte, in der sich Menschen trotz schwieriger Konstellationen doch langsam näher kommen. Dabei überzeugt das Buch durch seine eindringlich und realistisch gezeichneten Charaktere. Dabei wächst die Hauptfigur Sid, aber seine Eltern, Chloe und Fariza einem rasch ans Herz.
Sarah N. Harvey, Drei kleine Wörter. Übers. v. Herbert Günther / Ulli Günther [Orig. Titel: Three little Words], ab 12 Jahren
München: Carl Hanser Verlag Dtv 2015, 260 Seiten, 14,40 €, ISBN 978-3-423-65014-4
Weiterführende Links:
Carl Hanser dtv: Sarah N. Harvey, Drei kleine Wörter
Homepage: Sarah N. Harvey
Andreas Markt-Huter, 13-10-2015