Simon van der Geest, Krasshüpfer
„ … ich werde meine Tiere verlieren. Alle. Mein Bruder wird sich meinen Keller unter den Nagel reißen. Drei Jahre lang habe ich an meinem Insektenlabor herumgewerkelt und es aufgebaut. Drei Jahre lang habe ich Insekten gesammelt und gepflegt. Und plötzlich sollen sie alle verschwinden?“ (6)
Der elfjährige Hidde liebt seine Insekten über alles und hat sich im Kellerraum eines Gartenschuppens ein Labor mit Insektengläsern eingerichtet, wo er die verschiedensten Tiere züchten und beobachten kann. Eines Tages droht ihm sein um drei Jahre älterer Bruder Jeppe, von dem er verächtlich nur Spinnerling genannt wird, dass er den Keller als Proberaum für sein Schlagzeug in Beschlag nehmen wird. Ein unerbittlicher Kampf zwischen zwei ungleichen Brüdern beginnt, der dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Tageslicht bringen wird.
Hidde schreibt die Geschichte seines „Krieges“ mit seinem Bruder Jeppe in einem Heft nieder, in dem er sich an die unbekannten Leserinnen und Leser seiner Aufzeichnungen wendet. Er will nach drei langen Jahren des Schweigens rund um den mysteriösen Tod seines ältesten Bruders Ward endlich befreien und sein Schweigen brechen. Damals war seine alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern in ein neues Haus übersiedelt, um einen Neuanfang zu wagen.
Seit dem Tod von Hiddes Bruder Ward, hat sich seine Mutter in seinen Augen immer mehr aufzulösen begonnen. Sie kümmert sich nur noch, um die lebensnotwendigsten Dinge ihrer beiden Buben, wie Essen und Kleidung, scheint aber ansonsten nur noch wenig vom Leben ihrer Kinder zu bemerken. Auch nicht wie schlecht Jeppe seinen jüngeren Bruder Hidde behandelt, ihn bei jeder Gelegenheit demütigt und ihm nun auch noch den Keller mit seinem Insektenlabor zerstören will.
Hidde überlegt sich verschiedene Mittel, um Jeppe von seinem Vorhaben abzubringen. Als er eines Tages bemerkt, wie schüchtern sich Jeppe gegenüber Mädchen verhält, versucht er seine Schulfreundin Lieke, zu der er sich selbst hingezogen fühlt, einzuladen, um ihr seine Schmetterlinge zu zeigen. Nur blöd, dass sich Lieke zunächst mehr für Jeppes Musik als für Hiddes Schmetterlinge zu interessieren scheint. Hilfe naht schließlich vom neuen Nachbarjungen Bor, den er aufgrund seines Aussehens zunächst für einen Idioten hält: Zwischen den beiden Jungs entsteht eine enge Freundschaft und Bor beschließt Hidde bei seinem immer mehr aus dem Ruder geratendem Kampf gegen seinen Bruder zu unterstützen.
Gleich zu Beginn der Geschichte werden die Leserinnen und Leser als direkte Adressaten angesprochen, denen mit der Geschichte ein lange unterdrücktes Geheimnis anvertraut werden soll. Die Fronten in der Auseinandersetzung sind abgesteckt und alle Protagonisten einschließlich der Leserinnen und Leser richten sich gegen Hiddes Bruder Jeppe.
Van der Geest lässt die Leserinnen und Leser tief in die Erlebnis- und Erfahrungswelt des 11-jährigen Hidde eintauchen, einem schüchternen Einzelgänger, der sich mehr für Insekten als für Freunde interessiert, der am meisten von seinem eigenen Bruder gehänselt und drangsaliert wird und dessen Mutter, seit dem schrecklichen Tod ihres ältesten Kindes, ihre Lebensfreude zunehmend verloren hat und mehr wie ein Geist durch das Haus spukt.
Über all dem eröffnet sich den Leserinnen und Leser ein tragisches Geheimnis aus der Vergangenheit, das wie ein Alptraum auf der Familie lastet. Ein überaus empfehlenswerter, fesselnder und einfühlsam geschriebener Kinder- und Jugendroman, der seine Leserinnen und Leser von der ersten Seite weg in seinen Bann ziehen wird.
Simon van der Geest, Krasshüpfer. Ill. v. Karst-Janneke Rogaar, übers. v. Mirjam Pressler [Orig. Titel: Spinder], ab 11 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2016, 240 Seiten, 13,40 €, ISBN 978-3-522-18425-0
Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Simon van der Geest, Krasshüpfer
Wikipedia: Simon van der Geest
Homepage: Karst-Janneke Rogaar
Wikipedia: Mirjam Pressler
Andreas Markt-Huter, 27-10-2016