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„Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass Sexuelles überall präsent ist, dass wir gelernt haben, es zu übersehen. Ironischerweise sei Pornographie durch die blanke Allgegenwart praktisch unsichtbar geworden, schreibt die Soziologin Gail Dines. Recht hat sie. Gleiches gilt allemal für das Sexuelle, das uns täglich rund um die Uhr begegnet.“ (8)

Wie stark sich das Sexuelle im letzten Jahrzehnt in der Erlebniswelt unseres Alltags ausbreiten konnte, macht Ingelore Ebbersfeld an zahlreichen Bereichen des öffentlichen Lebens anschaulich, sei es in der Fernseh-, Kino- oder Musikwelt, sei es auf der Theaterbühne oder auf Fotos. Aber auch die Vorstellungen vom eigenen Körper sowie von der Normalität sexueller Praktiken haben sich im Laufe der Jahre massiv geändert. All das hat massive gesellschaftliche Auswirkungen, was in einem veränderten Schamempfinden und einer Verrohung der Sprache zum Ausdruck kommt.

Wenn eine Berühmtheit etwas sagt, können auch sogenannte blöde Sätze äußerst wertvoll werden. Der Sager „Innsbruck selbst ist eine unwohnliche, blöde Stadt“ wird zwar für richtig gehalten und tausendmal am Tag ausgesprochen, aber erst dass dieser Satz von Heinrich Heine stammt, macht ihn so wertvoll.

Bernd Schuchter geht mit seinem „Bummel durch Tirol“ der Frage nach, wie man ein Stück Klassiker lesen könnte, ohne dass man dafür eine Prüfung ablegen müsste. Am Beispiel von Heinrich Heines Reisebildern aus dem Jahre 1830 zeigt er, wie die Leserschaft der Gegenwart mit einem beinahe zweihundert Jahre alten Text umgehen könnte, nämlich durch Herausdestillieren von Reizwörtern und Reizsätzen.

In den guten multiplen Romanen gibt es so viele Lesemöglichkeiten, dass zwei Leser im Gespräch darüber oft eine Zeitlang brauchen, um zu kapieren, dass sie den gleichen Roman gelesen haben.

Norbert Gstreins Roman „In der freien Welt“ ist multipel, weit, frei, und groß wie die ganze literarisch erfassbare Welt. Je nach Wahl des Lese-Eingangs lässt sich der Roman als Krimi, politische Bestandsaufnahme, Travelling-Fields, Freundschaftserzählung oder Aussalzung eines perversen Literaturbetriebes lesen.

Das hat die Freiheit so an sich: Wenn man sich nach ihr sehnt, ist sie unendlich hell und freundlich, wenn sie da ist, wird sie manchmal dunkel und bissig.

Friederike Gösweiner konfrontiert in ihrem Roman die Heldin Hannah mit jener traurigen Freiheit, die sich oft einschleicht, wenn man das Leben mit Gewalt verändert. Hannah geht auf den dreißigsten Geburtstag zu, sie lebt mit Jakob in einer unaufgeregten Partnerschaft und segelt irgendwie geräuschlos durch den Alltag.

„Hat Jesus jemals gelebt? Oder ist er nur ein Phantom. »War Jesus doch nur eine Erfindung der urchristlichen Gemeinde?«, fragt Augstein. Eine erdichtete Figur, ausgesponnen von frühen Christen und Kirchenmännern? Kann man diese Frage heute noch klären? Gibt es von Jesus überhaupt noch greifbare Spuren in der Geschichte?“ (18)

Es gibt wohl wenige Figuren der Weltgeschichte, über die so viele Bücher geschrieben worden sind wie über Jesus von Nazareth, der als zentrale Person des Christentums bis in die Gegenwart die Faszination und den Glauben von Millionen von Menschen begründet. Ist die Historizität Jesu aber wirklich absolut geklärt und haben sich die Geschichten um Jesus tatsächlich ereignet? Diesen Fragen versucht das Sachbuch „Jesus? Tatsachen und Erfindungen“ auf mehr als 650 Seiten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln nachzugehen.

Das schönste Argument, das einem Buch widerfahren kann, ist die Bemerkung: Dieses Buch liest sich wie von selbst!

Ilse Kilic‘s „Roman“ mit diesem Kompliment-Titel liest sie tatsächlich wie von selbst, dabei geht es um die größten Fragen der Literatur, nämlich: kann sich Literatur selbst produzieren und kann jemand außerhalb des Buches damit glücklich werden?

In einer Welt voller Vernetzung und großer Stückzahl von schlichten Gedanken ist die solitäre Individualität vermutlich das höchste Lebensgut und vielleicht der letzte Lebenssinn.

Friedrich Hahns großes Thema ist das Entstehen von Sinn durch Schreiben. Im Roman „Von Leben zu Leben“ geht er der Frage nach, ob sich diese Identitätsbeschaffung als Beruf ausüben lässt, was den Beruf des Schriftstellers neu definieren würde.

Inseltexte sind eine beinahe magische Gattungsbezeichnung für einen Inhalt, der vielleicht zwischen Insel der Seligen und Mullinsel aufgestellt ist.

Florian Neuner nimmt den Begriff „Inseltexte“ einerseits sehr wörtlich, wenn es um eine Flussinsel im Ruhrgebiet oder um Helgoland geht, andererseits sind diese Inseltexte auch etwas Hermetisches, das in einem anderen Medium schwimmt wie ein Fetttropfen auf dem Wasser.

Das Publikum sieht oft etwas ganz Anderes in den Bildern, als es der Urheber vielleicht gedacht hat. So sagen die Tiroler jedenfalls zu allem, was wie eine Federzeichnung ausschaut, Karikatur, weil sie die Welt meist als Federzeichnung empfinden.

Paul Flora hat immer gelitten, wenn man ihn auf die Kunst eines Karikaturisten heruntergebrochen hat. Zu Recht hat er immer darauf verwiesen, dass die Karikaturen nur einen eingeschränkten Zeitraum seines Lebens an Aufmerksamkeit verschlungen haben.

Zu den verwerflichsten Dingen gehört die Rekrutierung von Kindern für ein diffuses politisches Ziel. Was man heute diversen Terrorgruppen vorwirft, hat bis vor kurzem noch die Kirche perfekt abgewickelt.

Gino Chiellino beschreibt eine Kinderekrutierung aus der Sicht eines betroffenen Kindes in Kalabrien. Im Sommer 1957 sind die in Bio-Wolle gekleideten Patres aus dem Norden wieder in den armen Gegenden des Südens unterwegs, um Ausschau zu halten nach lebensfrohen Kindern, mit denen sie die Internate füllen werden. Die Armut ist ein Argument, gegen das keine Eltern und Verwandten aufkommen, und so kommt der Knabe Rusco in das Internat.