Buch-CoverDie Biographie ist gewissermaßen die Aktzeichnung der erotischen Genauigkeit. Walter Kliers konspirative Kindheit funkt und knistert daher ordentlich in der Tiroler Zeitgeschichte herum, denn das so genannte eigene Schicksal des erzählenden Ichs ist nur ein besonders erotischer Akt, der über den ganzen Ungereimtheiten des Landes herumliegt.

So ist auch gleich die erste Geschichte etwas vom Süffisantesten und Elastischsten, was die zeitgenössische Biographiekunst auf die Beine gestellt hat. Der Autor erzählt mit dem skurril klaren Kopf, den nur Kinder in einer großen Welt haben können, wie er Zaunzeuge der Südtiroler Bummser geworden ist. Sein Vater hat Vorrichtungen und Abläufe so gestaltet, dass es dem Kind wie ein notwendiges Spielplatzabenteuer erschienen ist, während in Wirklichkeit der sagenhafte Aluminiumduce in Südtirol realiter in die Luft gesprengt worden ist.

goebel_vincent.jpgVincent ist ein skurill-höhnischer Künstlerroman, der mit allen Kunstbetrieben der Gegenwart ziemlich unrund ums Eck fährt.

Ein greiser Kunstmäzen, der es vermutlich nicht mehr schafft, seine Millionen noch in dieser Welt auszugeben, sponsert die Kunst. Freilich ist es ein zynisches Sponsoring, denn in der Schreibschule für Eliten sollen die Künstler doofe Ware für ein doofes System herstellen, sprich, Drehbücher für Vorabendserien und Popsongs für illuminierte Kids.

Buch-CoverEndlich eine Bibliotheks-Bibel, mit der man auch ordentlich vereidigt werden kann! Der erste Eindruck der Österreichischen Systematik für öffentliche Bibliotheken (ÖSOB) ist staatstragend und gewaltig.

Jedes Fach ist letztlich so groß wie seine Handbücher, und nach diesem Handbuch merkt auch der letzte Leser, dass es sich beim Bibliothekswesen um etwas Großes und Großartiges handelt.

Buch-CoverEinem gewaltigen Schreibvulkan kann man oft nur mit einem simplen Spickzettel begegnen. Adalbert Stifters Werk gleicht jenem Anton Bruckners und erklingt als eine scheinbar immer gleiche Symphonie, deren Abspiellupe sich jedoch stets zitterfrei durch die Rillen der Jahre tastet bis zum Finale aller großen Texte.

Wolfgang Matz ist für 2005 nicht nur Herausgeber der Stifterschen Erzählungen in der Gestalt der Erstdrucke, er ist einfach auch Fan und cooler Leser. Sein Spickzettel zum Gesamtwerk weist folgende zehn Schlüsselbegriffe aus:

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Oft sind in Büchern die gelesenen Vorstellungen größer als die Welten, die in ihnen dargestellt werden.

In Jagoda Marinics Erzählband kommt beispielsweise Hannah als Erzählerin in der Titelgeschichte nur ungenau mit der Größenvorstellung zurecht. Als sie im mittlerweile verkleinerten Ex-Jugoslawien auf einem Bahnhof steht, hat sie immer noch die großen Bilder von Russischen Büchern im Kopf. ?Die einzigen Weiten, die wir uns vorstellen können, verdanken wir russischen Büchern.?

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Wir sind Spätlinge.? ? Der Komponist Alban Berg schreibt in den Zwanziger Jahren die hitzigsten Liebesbriefe der Literaturgeschichte an seine Freundin Hanna Fuchs-Werfel, er ist aufgewühlt in seiner Spätleidenschaft, und die Stille zwischen den Tönen hat Türen.

Den Journalisten David Rudan trifft es kurz vor dem Jahrtausendwechsel ähnlich heftig. Eigentlich will er vor seiner Pensionierung noch etwas über Bäume schreiben, das passt gut in den Herbst, aber da kriegt er dieses Stechen im Unterleib und erkrankt sinnlos schwer und lebensmüde.

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Vielleicht ist "Gehen" nichts anderes als Schreiben mit dem Körper. Wenn man als Leser länger in Waltraud Seidlhofers System herumgeht, löst man sich in einer geschriebenen Gegend auf, während sich der Lesekörper zwischen den Zeilen herumtreibt. Ab und zu vertauschen Schreiben und Gehen ihre Funktionen und hinterlassen eine Stimmung wie nach einer gelungenen Wanderung.

Waltraud Seidlhofers "Gehen" hat etwas mit Dynamik und Stillstand zu tun. Erfahrene Läufer nennen diesen Zustand das Hoovercraften des Laufkörpers, ähnlich einem Helikopter rotiert die Wahrnehmung knapp über dem wahrgenommenen Grund und widersetzt sich der Fortbewegung.

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Wie kann man mit dem Wissen von heute eine Entdeckernatur von damals beschreiben? Was könnten also die sogenannten Heroen Cortez und Vasquez wirklich gemeint haben, als sie die Neue Welt eroberten und alle vorhandenen Kulturen vernichteten?

Alexander Peer geht mit seiner Novelle jenen spannenden Überlegungen nach, die auch heute noch Helden ermuntern, in die Welt zu ziehen und diese für eine vage Idee zu unterwerfen. Der Titel der Novelle kann mehrfach gedeutet werden, einmal kriegen die Seefahrer nach langer Zeit wieder Land unter ihre Füße, sie bemächtigen sich des Landes und unterwerfen es, schließlich setzen sie das Land Zerstörungen aus, bis wirklich die Parole ?Land unter? passt.

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Ludwig Roman Fleischer gehört zu den raren Autoren, die quasi im Alleingang die Gegenwartsliteratur neu schreiben. Alle gängigen Genres hat er mittlerweile aktualisiert.

Und ob es sich um unidyllische Weihnachtsgeschichten, den Schöpfungsbericht par excellence oder die verrückte Jubiläumsliteratur für eine öffentliche Einrichtung handelt, immer wird das literarische Genre in Frage gestellt und dann mit einem passenden Erzählportal upgedatet.

Buch-CoverEin Wort, das nicht gesprochen wird, verflüchtigt sich aus dem Wortschatz. Gott ist so ein Wort, das nach Ansicht von Hans Augustin ziemliche große Lust auf Verflüchtigung hat. In knapp fünfzig Gedichten wird daher Gott wieder in den Sprachgebrauch reanimiert, und das in recht aufregendem Ambiente.

"Und wohnt mitten unter uns" ist der Versuch, Gott als rare Begebenheit mit dem Alltag in Verbindung zu bringen. Dabei werden einige Satzteile aus der Schöpfungsgeschichte oder anderen so genannten Heiligen Schriften zu einem Gedicht ausgebaut. Daraus ergibt sich jeweils ein interessantes Gebilde, worin Kult und Alltäglichkeit verschmelzen.