Martin Kolozs, Zweite Liebe

Damit du deine Muttersprache verstehst, brauchst du eine andere Sprache, die dich dabei beobachtet. Kann diese Glücksmethode aus der Welt der Sprache auch für die Liebe gelten?

Martin Kolozs erzählt das unauffällige Leben einer Frau, die der Liebe zwischendurch in den Lauf rennt. Denn eigentlich ist die Bühnentänzerin Lena nach einem Arbeitsunfall ziemlich ängstlich und abgeschottet. Die Liebe kommt ihr zufällig ins Haus, nicht umsonst heißt das erste Kapitel: „Ich fand dich, ohne dich gesucht zu haben.“ (7)

Nach dem Theater trifft Lena, als sie mit ihrer Freundin unterwegs ist, auf den Buchhändler Thomas. Es entsteht für eine Weile eine unklare Dreiecksgeschichte, ehe sich die Verhältnisse klären und Lena und Thomas heiraten. Das ist offensichtlich das Todesurteil für die Liebe, denn nicht nur, dass sich Lenas Verhältnis zum Vater abgekühlt hat, weil er bei einem Seitensprung der Mutter übrig geblieben ist, auch die Ehe selbst geht wegen der materiellen Anforderungen der Auskühlung entgegen.

Das Baby treibt den Ehepartnern den letzten Sex aus, der Buchhändler schmeißt das Studium und geht wieder arbeiten, Lena trägt die leere Liebe mit Geduld zu Ende. Dieses Ende kommt in Gestalt eines Sturzes, Thomas stürzt zu Hause und stirbt. Beim Begräbnis bleibt schließlich das große Rätsel, was der Bestatter wohl gemeint hat, als er sagt: Auf Wiedersehen!

Dieser erste Teil wird von außen quasi als Protokoll einer Mediation trocken und unauffällig erzählt. Der zweite Teil freilich erzählt diese Geschichte aus dem Inneren der Heldin heraus: „Und hätte ich die Liebe nicht, ich hätte keinen Halt.“ (121)

Jetzt kommt der zweite Teil der Liebe zum Vorschein oder, wie das Programm bei Martin Kolozs heißt: Die zweite Liebe.

Lena ist auf dem Weg zu ihrem Lover, der im Hotel wartet. Sie hat neben der Ehe schon länger sporadische Auftritte dieser Art. Sie nimmt sich ein Einzelzimmer und ruft ihn im Hotel an, dass sie noch etwas Zeit braucht, um ihren Körper zu sammeln. In einer Analyse zwischen therapeutischen Maßnahmen, hormonellem Fitnessprogramm und moralischen Abwägungen definiert Lena das Modell der zweiten Liebe.

Dieses Komplementär-Ereignis ist offensichtlich notwendig, um die Grundliebe auszuhalten und für sich und die Gesellschaft überlebenstauglich zu halten. Diese zweite Liebe ist aufregend, kalt, entgleist und ist dennoch berechenbar, weil sie ja vom offiziellen Leben zusammengehalten wird. Jetzt, wo der Mann gestorben ist, verschwindet freilich auch der Lover, denn die zweite Liebe ist nun nicht mehr notwendig.

Martin Kolozs erzählt beinahe einen Thesenroman, nur dass er die Ergebnisse geschickt in den Figuren versteckt, wie ja auch das wirkliche Leben seine Thesen immer geschickt in das Leben der Leser versenkt. - Ausgeklügelt wahr!

Martin Kolozs, Zweite Liebe. Roman.
Bozen: Edition Raetia 2012. 172 Seiten. EUR 10,90. ISBN 978-88-7283-435-0.

 

Weiterführende Links:
Edition Raetia: Martin Kolozs, Zweite Liebe
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 21-03-2013

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Zweite Liebe

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

172

Preis in EUR

10,90

ISBN

978-88-7283-435-0

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck und Wien.