Anne Marie Pircher, Rosenquarz

Buch-CoverWenn du geil ins Leben gehst, springt dich dieses ebenso geil an. – So etwa lautet die lebensfreche Grundbotschaft in Anne Marie Pirchers Haupterzählung „Rosenquarz“.

Der Plot ist geradezu eine Rakete voller Abenteuerkraft. Die Friseurin Paula kann am Gemüse-Standl nicht bezahlen, ein Unbekannter hilft ihr mit zehn Euro aus, es macht klacks und Paula ist nicht mehr von dieser Welt.

Der spendable Zehneuro-Mann heißt Amir, ist iranischer Geschäftsmann, hat Kultur, den Touch einer anderen Welt und natürlich ein Geschlechtsorgan, wie es kein Südtiroler je zwischen den Beinen hervorbringt. Paula kann nicht mehr richtig frisieren, dabei laufen im Frisiersaloon die Fäden der Stadt zusammen, jede und jeder erzählt sein Leben ungefragt unter den eingewässerten Haarstränen heraus.

Es kommt, wie es sonst nur im Film passiert, in der kleinen Stadt gibt es eine großartige Affäre, die dem Leben wirklich Sinn gibt. Und als Amir dann wieder verschwindet, bleibt das Leben wie eine Schüssel aus Mineralien, Gewürz und Quarz zurück: Rosenquarz.

In Rückblenden erlebt Paula noch einmal eine andere Iran-Saga. Bei einem Amerikaaufenthalt wurde sie von einem Iraner an der Pazifikküste so heftig genommen, dass man es wohl eine Vergewaltigung nennen könnte. Ein schlechtes Erlebnis muss man also mit einem guten überlagern, dann hält man es vielleicht aus.

Die Erzählung Rosenquarz besticht durch diese erwartete Unmöglichkeit, mit der die Vorgänge erzählt werden. Vieles wirkt ungelenk und rissig, aber immerhin soll ja die fransige Welt einer Friseurin dargestellt werden, deren Bewegungen wohl immer fahrig durchs Haar fremder Leute verlaufen. Manche Dinge sind knallig vorgestellt, wie man sie wohl in der Einheitstageszeitung Südtirols immer wieder vorfindet.

Da gibt es beispielsweise ein „routiniertes Leben“ (36), was immer man als Leser sich damit ausmalt. Der in allen Gegenwartsromanen obligat vorgeschriebene Kellner ist hier ein „Kellner mit hübschem asiatischen Gesicht“ (40). Die Lauben und die Staatssprache Italienisch lassen darauf schließen, dass sich die Hauptfigur in einer Südtiroler Stadt bewegt, ein wenig südtirolerisch schwarz weiß ist auch die Sprache des Geschlechtshandwerks gehalten, wenn etwa der Kulturhengst interkulturell seufzt: „Die wollen nicht deine Seele, die reißen dir die Kleider vom Leib und wollen nur deinen Schwanz!“ (70)

Die Geschichte ist toll und aufregend, knapp am Kitsch entlang geführt ergibt sich mitten im Alltag eine große Wallung von Gefühlen. Während der Text nachklingt fragt man sich als Leser noch, ob die Geschichte auch so heftig sein könnte, wenn statt des großschwänzigen Iraners ein normales Kaliber aus Pflersch oder Ratschings den Widerpart zur wilden Paula spielen müsste.

Irgendwie hat der Verlag nicht geglaubt, dass diese Geschichte allein ausreichend gut sein könnte, daher sind noch ein paar Fingerübungen angehängt. In ähnlicher Konstellation wie im Rosenquarz schwimmt beispielsweise in der Erzählung „Nachwasser“ eine Nachttussi mit dem Schwimmmeister eines Hotels durch die Nacht. In der Früh ist sie erschöpft, das Wasser wird zum Tag, der Alltag macht sich auf für eine neue Runde.

Anne Marie Pircher, Rosenquarz. Erzählungen.
Innsbruck: Skarabäus 2007. 126 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-7082-3220-1.

 

Weiterführender Link:
Skarabaeus-Verlag: Anne Marie Pircher, Rosenquarz

 

Helmuth Schönauer, 20-03-2007

Bibliographie

AutorIn

Anne Marie Pircher

Buchtitel

Rosenquarz

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Skarabäus

Seitenzahl

126

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-7082-3220-1

Kurzbiographie AutorIn

Anne Marie Pircher, geb. 1964, lebt in Kuens bei Meran.