Das Literaturhaus am Inn. Teil 2

Das Literaturhaus am Inn feiert heuer seinen 10. Geburtstag. 1997 öffnete das Literaturhaus am Inn erstmals seine Pforten und seither veranstaltet die Einrichtung des Forschungsinstituts Brenner-Archiv zahlreiche Lesungen, Buchpräsentationen und Diskussionen zu den verschiedensten Bereichen der Literatur und ist als fixer Ansprechpartner für den Bereich Literatur nicht mehr weg zu denken.

Das Literaturhaus am Inn öffnete vor 10 Jahren erstmals seine Pforten und konnte sich mittlerweile zu einem fixen Bestandteil als Literaturveranstalter etablieren. Grund genug, den Beitrag über die Kultureinrichtung und das Interview mit der derzeitigen Leitung des Literaturhauses neuerlich zu präsentieren.


Lesen in Tirol hat ein Jahr vor dem 10-jährigen Jubiläum das Literaturhaus am Inn besucht und Dr. Anna Rottensteiner, die Leiterin des Literaturhauses am Inn und Mag. Kristin Jenny dessen Geschäftsführerin interviewt.

 

*  *  *  *  *

 

Das Literaturhaus am Inn. Teil 2

 

Lesen in Tirol: Welchen Anteil wird der Literatur aus Tirol bei den Veranstaltungen beigemessen?

Anna Rottensteiner: Wir haben derzeit in jedem Programmzyklus mindestens ein oder zwei Veranstaltungen, die der Tiroler Literatur gewidmet sind, wie z.B. die Präsentation von "Schattenkämpfe", ein Band über Osttiroler Literatur.

Kristin Jenny: AutorInnen werden bei uns aber nicht präsentiert, weil sie aus Tirol sind, sondern weil sie thematischen und formalen Ansprüchen entsprechen.

Lesen in Tirol: Kommen AutorInnen in das Literaturhaus auch mit der Bitte, ihr Buch präsentieren zu können?

Kristin Jenny: Ja, Es kommen natürlich Schreibende mit ihren Büchern zu uns. Wir haben die Freiheit zu entscheiden, welches Buch bei uns präsentiert wird. Das hängt von der Programmplanung und den Schwerpunkten ab.

Lesen in Tirol: Was erwartet BesucherInnen im Literaturhaus am Inn?

Kristin Jenny: BesucherInnen erwarten Literaturveranstaltungen mit AutorInnengesprächen, mit einführenden Worten, bei denen die Besucher genaueres über die AutorInnen erfahren können. Auch darin unterscheiden wir uns von anderen Veranstaltern, dass wir relativ viel Hintergrundinformation bieten, die es den Besuchern ermöglicht, gut in den Abend einzusteigen.


Die Medien interessieren sich vor allem dann für Literatur, wenn ein direkter Tirolbezug vorhanden ist.
Foto: Markt-Huter

 

Außerdem liegt zu allen Veranstaltungen ein Büchertisch zum Thema oder zu den AutorInnen auf, wo BesucherInnen die Möglichkeit erhalten, Bücher gleich zu kaufen und manchmal finden auch Ausstellungen zu bestimmten Schwerpunktthemen und AutorInnen statt.

Anna Rottensteiner: Sehr geschätzt wird auch die Möglichkeit, am Ende der Veranstaltung mit einem Glas Saft oder Wein noch zu verweilen und sich in kleineren Runden mit den AutorInnen zu unterhalten. Hier kann jeder dem Autor quasi privat noch Fragen stellen, für die es während der Veranstaltung keine Gelegenheit gab. Die Gesprächskultur spielt also bei unseren Veranstaltungen eine ganz wichtige Rolle.

Lesen in Tirol: Zu den Aufgaben des Literaturhauses zählt auch der Aufbau einer Dokumentation zeitgenössischer Literatur in Tirol. Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl dieser Literatur?

Anna Rottensteiner: Die Datenbank "Dokumentation Literatur in Tirol/Südtirol" ist ein eigenes Projekt, welches vom Brenner-Archiv durchgeführt wird, von Christine Riccabona und Anton Unterkircher. Es handelt sich dabei um eine Datenbank, in der alle Tiroler Autorinnen und Autoren mit dem zeitlichen Schwerpunkt 1945 bis zur Gegenwart erfasst sind. Die Datenbank ist längerfristig als Literaturlexikon geplant und enthält derzeit u. a. Personalbibliographien von bisher  900 Autorinnen und Autoren. Die Datenbank wird laufend aktualisiert, das heißt, jedes neue Buch oder jeder neue Text von Tiroler AutorInnen wird darin aufgenommen. So entwickelt sich allmählich ein umfassendes Bild der Tiroler Literatur.

Ich möchte auch auf unsere Rezensionsdatenbank verweisen, auf die wir auch auf unserer Homepage hinweisen. Hier werden Neuerscheinungen von Tiroler Autorinnen und Autoren besprochen und vorgestellt.

Kristin Jenny: Eine weitere Aufgabe, die uns seit mittlerweile drei Jahren verstärkt beschäftigt, ist die Zusammenarbeit mit den anderen Literaturhäusern in Österreich. Vor drei Jahren haben wir von Innsbruck aus eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zu einem bestimmten Thema in allen Literaturhäusern Österreichs gestartet. Sie wird gemeinsam und österreichweit beworben. Das erste Jahr stand unter dem Motto "MitSprache", das vor allem auch im politischen Sinne verstanden werden sollte. Bei uns wurden Veranstaltungen zu diesem Thema mit dem Schwerpunkt"Italien und Österreich" durchgeführt.

Im vergangenen Jahr standen Überlegungen zum offiziellen Gedenkjahr im Mittelpunkt. Dazu haben die österreichischen Literaturhäuser einen gemeinsamen Preis für den besten Text prämiert, in dem die"Feiern und Selbstfeiern der Republik" kritisch reflektiert werden. Die Preisverleihung erfolgte im Literaturhaus in Mattersburg, um bewusst ein kleines Literaturhaus, abseits vom Zentrum, in den Mittelpunkt zu stellen.
Für dieses Jahr ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zum Thema "Minderheiten-Sprachen in Österreich" geplant.

Anna Rottensteiner: Die österreichweite Veranstaltungsreihe ist grundsätzlich so aufgebaut, dass ein gemeinsames Thema mit einer gemeinsamen Werbung und Pressearbeit umgesetzt wird, dass die einzelnen Veranstaltungen in den Bundesländern aber von jedem Literaturhaus entsprechend den eigenen ideellen und finanziellen Möglichkeiten autonom gestaltet werden. Zur Zusammenarbeit gehört natürlich auch, dass mehrere Literaturhäuser gemeinsam AutorInnen einladen können, die sich jedes Literaturhaus für sich nicht leisten könnte.

Lesen in Tirol: Wie ist das Echo der großen Tiroler Medien auf die Veranstaltungen im Literaturhaus?

Kristin Jenny: Die Ankündigungen in den Medien funktioniert gut, aber dass wirklich Berichte über Lesungen erscheinen, ist sehr selten. Hauptsächlich interessieren sich die Medien dann für Literatur, wenn ein direkter Tirolbezug vorhanden ist oder wenn die Veranstaltung direkt oder indirekt für Tirol von Bedeutung ist.
Uns erscheint aber am wichtigsten, dass unsere Veranstaltungen angekündigt werden.

Anna Rottensteiner: Dass die Informationen unser Publikum erreichen, geschieht nicht nur über den Weg der Tagesmedien. Es gibt hier durchaus auch andere Informationskanäle und wer etwas über unsere Veranstaltungen erfahren will, hat durchaus auch die Möglichkeit dazu. So haben wir seit einigen Jahren eine Mailing-List, die von immer mehr BesucherInnen in Anspruch genommen wird. Man kann sich in die Liste eintragen und wird einen Tag vor der Veranstaltung noch einmal per Mail daran erinnert.

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Tiroler Literatur in den letzten zehn Jahren aus der Sicht des Literaturhauses entwickelt?

Anna Rottensteiner: Mittlerweile gibt es einige Tiroler AutorInnen die konstant schreiben und ihren Weg gefunden haben. Ich denke dabei an Alois Hotschnig, C. W. Bauer, aber auch an Irene Prugger, Heinz D. Heisl. Besonders erfreulich ist, dass die junge Literaturszene selbst aktiv wird, wie z.B. Poetry-Slams oder die Zeitschrift Cognac & Biskotten beweisen, wo immer wieder eine intensive Auseinandersetzung mit Literatur stattfindet.


Die Konkurrenz an Literaturveranstaltungen in Tirol ist ein positiver Ansporn und hilft ein eigenes Profil zu entwickeln. Foto: Markt-Huter

 

Aber auch in der Südtiroler Literaturszene tut sich im Moment sehr viel, ich möchte nur Birgit Unterholzner, Anna Stecher, Christoph Pichler, Selma Mahlknecht als einige erwähnen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch den Turmbund erwähnen, wo sehr viel im Bereich der Förderung noch unbekannter Schreibender geschieht. Hier wird der Boden bereitet, auf dem junge Autorinnen und Autoren weiter ihren Weg gehen können. Aber auch im Bereich des Verlagswesen befindet sich Tirol derzeit in einer guten Situation, so veröffentlicht z.B. der Skarabäus-Verlag speziell und regelmäßig junge AutorInnen.

Ausblick

Lesen in Tirol: Welche Ziele konnte das Literaturhaus in den letzten Jahren verwirklichen?

Anna Rottensteiner: Ein Ziel konnte sicher erreicht werden: Das Literaturhaus am Inn hat sich als fixer Ansprechpartner für den Bereich Literatur etabliert. Für das nächste Jahr, in dem das Literaturhaus sein zehnjähriges Bestehen feiert, haben wir etwas besonderes geplant, was aber noch nicht verraten werden soll.

Lesen in Tirol: Was würden Sie sich für das Literaturhaus die nächsten Jahre wünschen?

Anna Rottensteiner: Ich wünsche mir, den Weg, den wir in den letzten Jahren gegangen sind, weiterführen zu können und uns nicht davon abbringen zu lassen. Es besteht immer die Gefahr, dass Literatur zu etwas Beliebigem wird. Gerade wenn man verfolgt, wieviele Bücher jährlich erscheinen, und welche davon es auf die Bestsellerlisten schaffen, fühlt man sich in diesem Urteil bestätigt.

Literarisches Schreiben sehen wir als eine Tätigkeit, wo sich formale, ästhetische und reflexive Momente finden, um damit die Welt zu betrachten. Wir wollen versuchen, dieses Verständnis von Literatur weiter zu verfolgen und uns nicht vom Mainstream der Literatur abbringen zu lassen, um auch der Literatur, wie wir sie verstehen, in der Welt, in der wir leben, einen Platz zu geben.

Kristin Jenny: Mein Wunsch ist, dass der Literatur abseits von diesem Mainstream auch in den Medien der ihr gebührende Stellenwert eingeräumt wird. Es wäre schön, wenn sich die Journalisten das trauen würden.
 
Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview

 

>> Im Brennpunkt: Das Literaturhaus am Inn. Teil 1

 

Weiterführender Link:


Andreas Markt-Huter, 06-03-2006

Redaktionsbereiche

Lesen