Ágnes Heller, Was ist komisch?
„Dieses Buch sollte als Versuch gelesen werden, über das Phänomen des Komischen im Allgemeinen philosophisch nachzudenken. Soviel ich weiß, ist dies der erste Versuch, dies zu tun. […] Mein Buch soll keine Zusammenfassung sein, sondern eine Ouvertüre. Es ist nicht provokant, auch wenn Form und Inhalt vielleicht stellenweise provokant wirken. Ich hoffe, es wird angefochten, zurückgewiesen oder lächerlich gemacht. Nur dann kann ich von einem Erfolg ausgehen.“ (S. 9)
Ágnes Heller stellt ihr Nachdenken über die Komödie in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen und bezieht sich dazu auf Romane, Komödien, Gemälde oder Filme, die sie selbst gelesen oder gesehen hat. Unabhängig von Sekundärliteratur versucht sie dazu ihr eigenes Verständnis der jeweiligen Kunstwerke darzulegen und „über komische Phänomene nachdenken und nicht bloß Informationen darüber sammeln“ (S. 9).
In acht Kapiteln nähert sich das Buch den verschiedenen Facetten und künstlerischen Ausdrucksformen des Komischen an. Zunächst steht „Das unbestimmbare Wesen des Komischen“ im Mittelpunkt der Betrachtung. Ausgehend von Aristoteles „Poetik“ und der Bibel als „Masternarrative“ der europäischen Philosophie wird die Auseinandersetzung mit der Tragödie als Gattung aufgezeigt, eine Aufmerksamkeit, die der Komödie verwehrt geblieben ist. Während der tragische Held vor allem den kultivierten, edlen Zuschauern gefiel, bot die Komödie eine Unterhaltung, wie sie das gewöhnliche Volk liebte. Doch das komische lässt sich nicht richtig fassen und kann in vielerlei Weise auftreten, als Satire, Parodie, Witz, Karikatur usw. So haftet auch ihre Erscheinungsform meist der Mangel an Schönheit an. So vielfältig komische Phänomene sind, so verbindet sie doch eine Gemeinsamkeit:
Jede komische Erfahrung ist eine Erfahrung absoluter Präsenz. In alltäglichen komischen Phänomenen ist das offensichtlich. Man reagiert mit Gelächter auf Dinge. (S. 27)
In den folgenden Kapiteln „Über das Lachen“, „Das komische Drama“, „Der komische Roman“, „Die existenzielle Komödie“, „Der Witz oder die dritte Art narrativer Prosa“, „Das komische Bild in der bildenden Kunst I: Bilder und II: Filme“ geht sie den verschiedenen Erscheinungsformen des Komischen nach, an denen sich der rationale Charakter des Komischen erkennen lässt.
Aus philosophischer Sicht schätzt sie die Auseinandersetzungen der Philosophien von Hobbes, Kant, Kierkegaard, Plessner, Bergson und Freuds mit dem Lachen und seiner Bedeutung für das menschliche Denken und Sein, die auch wichtige Aspekte für das Komische bieten.
Für Heller drängt sich der ernüchternde Schluss auf:
Das Phänomen des Komischen kann nicht definiert oder bestimmt werden. Es ist unnahbar. Es entschlüpft und entkommt allen Netzen (S. 30)
Dennoch lohnt sich der Versuch, das Unmögliche zu wagen und sich gemeinsam mit Ágnes Heller dem Komischen philosophisch über seine verschiedenen Erscheinungsformen anzunähern, auch wenn am Ende kein abschließendes Urteil über das Komische wartet, sondern das Nachdenken über das Komische selbst als Abenteuer erscheint und damit diese Erfahrung absoluter Präsenz des Nachdenkens über das Komische mit der Erfahrung des Komischen teilt.
Ein überaus empfehlenswertes philosophisches Buch, in dem das Nachdenken über ein schwer greifbares Thema selbst im Mittelpunkt steht und philosophisches Denken in seinem ursprünglichsten Wesen unmittelbar vor Augen führt.
Ágnes Heller, Was ist komisch? Kunst, Literatur, Leben und die unsterbliche Komödie, übers. v. Georg Hauptfeld [Orig. Titel: The Immortal Comedy - The Comic Phenomenon in Art, Literature, and Life]
Wien: Edition Konturen 2018, 272 Seiten, 29,80 €, ISBN 978-3-902968-2
Weiterführende Links:
Edition Konturen: Ágnes Heller, Was ist komisch?
Wikipedia: Ágnes Heller
Andreas Markt-Huter, 13-04-2021