Michael Forcher, Tirols Geschichte in Wort und Bild

Buch-CoverMichael Forchers "Tirols Geschichte in Wort und Bild" kann mittlerweile selbst als ein Teil der Tiroler Geschichte betrachtet werden.

Als das Buch 1984 erstmals erschien, ahnte wohl niemand, dass 20 Jahre später bereits die 8. Auflage erscheint und das Buch als Standardwerk zur Tiroler Geschichte nicht mehr weg zu denken ist.

Die kompakte Darstellungsweise und das großzügig verwendete und aussagekräftige Bildmaterial machen "Tirols Geschichte in Wort und Bild" zu einer spannenden Reise durch Zeit und Raum. Nicht umsonst wird das Buch heute in zahlreichen Gemeinden bei Jungbürgerfeiern als Geschenk an die JungbürgerInnen verteilt wird.

Keine Geschichte ist wirklich verständlich, wenn nicht auch das geographische und klimatische Umfeld einer Region in das Blickfeld der Betrachtung gezogen wird. Michael Forcher ist es gelungen Franz Fliri für die Darstellung des geographischen Teils zu gewinnen, im ersten Teil des Buches die landschaftlichen Besonderheiten Tirols näher bringt.

Detailliert wird der geologische Aufbau der Gebirgslandschaft zwischen Kufstein und der Salurner Klause erläutert und mit zahlreichen geologischen Skizzen und Fotos veranschaulicht. Ein weiteres Kapitel beschreibt Wetter und Klima in den verschiedenen Regionen Tirols und Südtirols und zeigt den Einfluss, den der Mensch auf die Natur und Vegetation des Landes ausgeübt hat.

In diesem Zusammenhang lässt Fliri Naturkatastrophen wie Überschwemmung, Muren- und Lawinenabgänge revue passieren, von denen Tirol im Laufe der Zeiten immer wieder heimgesucht worden ist. Fotos von Katastrophen wie z.B. der Vermurung Matreis (1885), dem überschwemmten Etschtal (1882), dem überschwemmten Inntal (1965) und zuletzt der Lawinenkatastrophe in Galtür veranschaulichen und vergegenwärtigen die Gefahren, die das Land im Gebirge bedrohen.

Die Darstellung der Kulturlandschaften Tirol erfolgt von Norden nach Süden. Sie führt über den Nordrand Tirols bis zu den Loferer Steinbergen, von den Kitzbüheler Alpen bis zum Zillertal, durch das Oberinntal über den Reschenpass in den Vinschgau, über das Unterinntal durch das Wipptal nach Brixen und über das Etschtal und Eisacktal zu den Dolomiten.

Die Geschichte Tirols beginnt mit dem berühmten "Ötzi, dem Mann vom Hauslabjoch" und führt relativ rasch über die Römerzeit bis ins früheste Mittelalter. Ausführlicher wird die Darstellung im Kapitel "Wie das Land Tirol entstand". Neben der Herrschaftsgeschichte Tirols wird auch die Sozialgeschichte des Landes eine gleichwertig dargestellt. Der Leser erfährt dabei ebenso etwas über das Wirtschaftsleben, die Städtegründungen und die rechtlich-sozialen Sonderentwicklung des Bauernstands wie über das kulturelle und geistige Leben im frühen und hohen Mittelalter in Tirol.

Im politischen Teil schildert Forcher ausführlich die Ereignisse rund um Margarethe Maultasch und wie Tirol schließlich zu Österreich kam. In einem eigenen Kapitel wird auf die europäische Bedeutung hingewiesen, den das Land unter den Habsburgischen Fürsten von Friedl mit der leeren Tasche bis Kaiser Maximillian erringen konnte.

Der Entwicklung der Tiroler "Demokratie" im 14./15. Jahrhunderte wird in der weiteren Darstellung ebenso ein ebenso wichtiger Stellenwert beigemessen, wie der Entwicklung der Wirtschaft, der Städte und des Verkehrs dieser Zeit. Auch die Bedeutung Tirols auf kulturellem und geistigem Gebiet zu Beginn der Neuzeit, wird mit Namen wie Michael Pacher, Oswald von Wolkenstein, Hans Schnatterpeck, Jörg Kölderer und Nikolaus Cusanus eindrucksvoll bezeugt.

Michael Gaismair und sein Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit werden in einem eigenen Kapitel gewürdigt. In einem Exkurz geht der Autor auf die Rezeption Gaismairs in der Geschichte Tirol ein wenig näher ein.

Als weitere Stationen in "Tirols Geschichte" sind die Jahrzehnte nach dem Bauernaufstand, das Aussterben der letzten "Tiroler Habsburger", der Bayerneinfall 1703, die Entmachtung der Stände und der Sieg des Zentralismus im 18. Jahrhundert zu nennen.

Forcher gelingt es sehr anschaulich die engen Zusammenhänge des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben während dieser Zeit aufzuzeigen, in der das Land von wirtschaftlichen Problemen und Neuerungen besonders stark betroffen wurde. Zahlreiche Tiroler sahen sich gezwungen auf Wanderschaft zu gehen. Während dieser Zeit kam es so weit, "daß das Wort "Tyroler" gleichbedeutend wurde mit "lustige Figur". An den vielen kleinen Fürstenhöfen Deutschlands tummelten sich "Hoftyroler" als neue Spielart des Hofnarren."

Auch wer sich über den Tiroler Freiheitskampf rund um Andreas Hofer näher informieren will, kann in Forchers ?Tirols Geschichte? eine detaillierte Schilderung über die Hintergründe und Ereignisse finden. Die anschließenden Kapitel behandeln Tirol im Vormärz und Biedermeier, das Revolutionsjahr 1848, die Landesverteidigung 1848, 1859 und 1866, die Entwicklung der modernen Demokratischen Parteien, der Kampf um eine gerechtere Wahlordnung, der Beginn des modernen Verkehrs und Tourismus und die wirtschaftliche und kulturelle Lage im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Knapp ein Drittel des Buches verwendet der Autor für die Darstellung der Geschichte Tirols im 20. Jahrhundert. Behandelt werden: der 1. Weltkrieg und die Abtrennung Südtirols im Vertrag von St. Germain, der versuchte Anschluss Tirols an Deutschland und die permanente politische Krise während der 1. Republik, die zur Errichtung des autoritären Ständestaates führte.

Weiters die Auswirkungen der Faschismus auf den gerade an Italien abgetretene südlichen Landesteil und die zunehmende Auflehnung gegen die Italienisierung, die schließlich in der so genannten "Option" von 1939 mündetet.
Kapitel wie "Tirol unterm Hackenkreuz", "Juden in Tirol", "Von Paris bis Sigmundskron" und "der lange Weg zum Paket" schließen die Darstellung der jüngeren politischen Geschichte Tirols. Traditionspflege, Brauchtum und das geistige und kulturelle Leben in Tirol bis in die heutige Zeit bilden thematisch einen würdigen Ausklang.

Obwohl das Standardwerk zur Tiroler Geschichte bereits seinen 20. Geburtstag feiert, garantieren die zahlreichen Bearbeitungen, Erweiterungen und Aktualisierungen den jeweils aktuellsten inhaltlichen und wissenschaftlichen Stand. Durch seine klare Sprache und inhaltliche Gliederung, aber auch durch das zahlreiche Bildmaterial kann das Buch als herausragendes Nachschlagwerk zur Tiroler Geschichte einem breiten Publikum nur empfohlen werden.

Michael Forcher, Tirols Geschichte in Wort und Bild.
Innsbruck: Haymon Verlag 2004 (8. ergänzte Auflage). 440 Seiten, 37,90 €, ISBN 3-85218-339-1

 

Andreas Markt-Huter, 11-11-2004

Bibliographie

AutorIn

Michael Forcher

Buchtitel

Tirols Geschichte in Wort und Bild

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Haymon-Verlag

Seitenzahl

440

Preis in EUR

37,90

ISBN

3-85218-339-1

Kurzbiographie AutorIn

Michael Forcher wurd 1941 in Lienz/Osttirol geboren. Als promovierter Historiker, Journalist und Verleger veröffentlichte er zahlreiche Publikationen und Bücher zur Geschichte und Kulturgeschichte Tirols. Am 17. Februar 2004 erhielt Michael Forcher das Kulturehrenzeichen der Stadt Innsbruck, womit er für seine Verlegertätigkeit ausgezeichnet wurde.