marjus gloe, holocaust education revisited, ort der vermittlung„Die skizzierten Veränderungen beeinflussen pädagogische Konzepte der Holocaust Education und fordern sie zum Teil auch heraus. Zunehmend bedeutsam werden dabei die Orte, die das Vermittlungsgeschehen prägen, verbunden mit der grundsätzlichen Frage: Wie kann die Ausbildung demokratischer Werte an KZ-Gedenkstätten befördert werden? […] Die Fragen nach dem Warum, Wie und Wo müssen aufgrund der Veränderungen aus Sicht der Holocaust Education neu beantwortet werden.“ (S. 3)

Im zweiten Band der Schriftreihe „Holocaust Education – Historisches Lernen – Menschenrechtsbildung“ werden 25 Tagungsbeiträge von 28 Autorinnen und Autoren zu den beiden Themenkomplexen „Orte der Vermittlung“ und „Didaktik und Nachhaltigkeit“ veröffentlicht. Dabei werden die großen Herausforderungen der Gegenwart wie ein wachsender Antisemitismus und Zuspruch für Populismus, eine zunehmende „Demokratiemüdigkeit“ sowie ein erodierendes „Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unser politisches System“ besonders berücksichtigt.

friederike gösweiner, regenbogenweissSeit allenthalben sogenannte Trauerratgeber in Schrift und Therapie den Markt überschwemmen, muss man sich in der Literatur einen Ruck geben, um sich auf einen Roman einzulassen, in dem es um die Veränderung des Hinterbliebenen-Lebens durch den Tod des Vorausgängers geht.

Friederike Gösweiner verknüpft die Sinnsuche ihrer Helden anhand jenes Knotens, der durch einen plötzlichen Herztod des Vaters auftritt. Die Kunst des Erzählens besteht bekanntlich darin, die Leser bei Neugierde zu halten, und weniger, eine These abzuarbeiten. Ein erster Blick auf das Figurenset von „Regenbogenweiß“ bremst freilich ein wenig die Lust, sich ungeniert auf den Psycho-Roman einzulassen.

karl-markus gauss, die jahreszeiten der ewigkeitDas wahre Schreiben beginnt für jene Schriftsteller, die es ernst meinen, erst im Alter. Dort entsteht nämlich ein unverwechselbarer Ton und es müssen keine Geschichten mehr zugekauft oder erfunden werden, weil diese der Schreibvorgang selbst spendet.

Karl-Markus Gauß kommt ohne Plot aus, weil er sich dem gereiften Schreibfluss anvertraut, so dass er Erlebnis-logisch im Duktus eines Flaneurs durch jene Jahre kommt, die zu beschreiben er sich vorgenommen hat.

Zum sechzigsten Geburtstag wünscht er sich Lust und Kraft, fünf Jahre lang das Leben sowohl aus der Innenperspektive heraus, als auch als Vorstufe einer individuellen Geschichtsschreibung zu denotieren. Jetzt mit 67 und eine Pandemie später zeigt er ein Buch vor, in dem Geschichte steht, statt Corona.

egyd gstättner, ich bin kaiserPatriotisches Selbstbewusstsein kann manchmal in einen Cäsarenkult übergehen, wenn das Land mitspielt und den darin geäußerten Wahnvorstellungen ein Revier gibt. Das bayrische „Mia san mia“ ist genauso patriotisch-pfiffig, wie das berüchtigte „Ik bin ein Berliner“. Da ist die Weltformel eines Österreichers geradezu romantisch: Ich bin Kaiser.

Egyd Gstättner nennt seinen jüngsten Erzählband über österreichischen Wahnsinn schlicht: Ich bin Kaiser. Dabei lässt er offen, ob nicht schelmisch der Kärntner Landeshauptmann gemeint sein könnte. Denn die Glaubwürdigkeit für seine Geschichten leitet er von der Überlegung ab, dass die Storys automatisch „tolldreist“ werden, wenn man sie so erzählt, wie die offizielle Geschichtsschreibung täglich als Fernsehprogramm des Staatsfunks auftritt.

barbara tilg, weltachseWenn jedem Menschen eine eigene Welt innewohnt, müsste man mit diesen Welten kommunizieren können, indem man sich ihre Weltachsen unter die Lupe nimmt.

Barbara Tilg stellt in ihren fünf Erzählungen ein paar dieser „Weltachsen“ vor, die teils sichtbar aus den Menschen hinausragen als Defekt, teils unsichtbar erahnt werden müssen im geduldigen psychologischen Gespräch.

serge haroche, licht - eine geschichte„Dieses Buch verbindet die Geschichte des Lichts mit meinen persönlichen Erfahrungen in der Forschung. Es ist in zwei etwa gleich große Partien unterteilt: Drei Kapitel – das erste und die beiden letzten – behandeln die vergangenen fünfzig Jahre. Sie beschreiben meine eigenen Forschungen und die Arbeiten meiner Zeitgenossen, an deren Entdeckungen ich teilhaben konnte.“ (S. 16)

Die Geschichte der Erforschung des Lichts ist auch eine Geschichte der Entwicklung der Physik als Wissenschaft und geht zurück bis in die Zeit der Anfänge wissenschaftlichen Denkens und Forschens in der Neuzeit.

kristiane kondrat, abstufung dreier nuancen von grauRare Bücher jenseits des Massenauftriebs sind oft in eine individuelle Untergrund-Geschichte eingeschlagen oder tragen diese eingenäht im Umschlag herum. Diese Bücher rutschen im Regal auch gerne nach hinten, während vorne an der sichtbaren Kante die Alltagsware den Zugriff verstellt.

Kristiane Kondrats Roman „Abstufung dreier Nuancen von Grau“ ist so ein verstelltes Buch, das von selbst nach hinten ins Regal wandert, weil es ein Leben lang als Geheimnis, Untergrundstück, eingenähtes Mantelmaterial oder aufgesplittertes Informationsgut quer durch den Kontinent und die diversen Regime getragen worden ist.

manfred chobot, das hortschie-tier und die lurex-frauDie aufregendsten Texte sind einerseits überall anzutreffen, wo man sie nicht sucht, andererseits findet man sie garantiert nicht in einer geordneten Schublade. In einer Bibliothek stehen solche Überraschungen am ehesten zwischen den Regalen und außerhalb der Ordnung eines Alphabets.

Manfred Chobot ist Spezialist für Überraschungen, die scheinbar immer schon da sind. Einmal schürft er als Dialekt-Magier spontane Fügungen ans Gesprächslicht, ein andermal bringt er während einer Recherche die Dinge zum Sprechen, und am verlässlichsten ist er an der Kante zwischen Traum und Wachsein, Findung und Erfindung, wahr und wahrscheinlich anzutreffen.

anja ballis, holocaust education - wahrnehmung und vermittlung„Die Reihe „Holocaust Education und Menschenrechtsbildung“ verbindet inter- und transdisziplinär die beiden Ansätze von Holocaust Education und Menschenrechtsbildung, die sowohl im Bereich der Gesellschaftswissenschaften, der Sprachwissenschaften als auch im erziehungswissenschaftlichen Gesamtkontext der Vermittlung von demokratischen Werten in bildungspolitischen Zusammenhängen adressieren.“ (S. II)

Bildung und Erziehung zum Themenbereich „Holocaust und NS-Verbrechen“ ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, die von undifferenzierten Verallgemeinerungen bis hin zu örtlichen Implikationen in die NS-Verbrechen reichen können. Mit dem Begriff „Holocaust Education“ wird auf die Internationalisierung der Forschung verwiesen, die auch demokratiefeindliche Positionen, rassistische Denkformen und Menschenrechtsverletzungen miteinbezieht.

bernhard hüttenegger, rockallWas für ein entlegener Ort. Rockall ist ein Felsen im Nord-Atlantik, der mit knapp achthundert Quadratmetern vielleicht so groß ist wie ein passables Penthouse. Freilich präsentiert sich der Felsen als so steil, dass man als Mensch darauf kaum richtig stehen oder im Biwak liegen kann.

Bernhard Hüttenegger nimmt diesen realen Felsen, der vor allem bei Survival-Wettbewerben Furore gemacht hat, um darauf eine Parabel vom Verlöschen des Lebens abzusetzen.