Museen sind üblicherweise ein Ort der Anschauung mit beigefügtem Depot. Das Essl-Museum in Klosterneuburg startet immer wieder Versuche, durch die bloße Anwesenheit des Museums diverse Kunstgattungen zum Anspringen zu bringen.

Für die Sparte Literatur haben dabei sechs sogenannte junge österreichische Autoren und Autorinnen unter der Schirmherrschaft Erwins Ullmans im Umfeld des Museums ihre eigene Literatur in Gang gesetzt.

Ein Buchumschlag wie eine Formel, der Autor stark verkürzt auf die Buchstaben E. W. und Binder, der Titel als Programm, Inhalt und Aufmacher: Die Formel.

Schon vom Umschlag her reißt es einen in dieses Formel-Buch des Osttiroler Autors [Eckehard] Bichler, straff und magisch wie eine Formel legt ein Ich-Erzähler los. Der erste Eindruck ist, hier kommt Midland in Stilfs über eine Tiroler Verstörung ins Hinterzimmer von Thomas Bernhard.

Was wie eine Fernseh-Sendung oder eine Postille über Neo-Adelige dröhnt, ist der literarische Versuch, einen individuellen Ableger der jüngeren britischen Kolonialgeschichte zu erzählen.

Luke Williams rückt ein Menschenleben aus der „Sicht“ von Geräuschen, Tönen, Stimmen und deren Echos in den Mittelpunkt. Zu diesem Zweck ist die Heldin Evie Steppman mit einem geradezu überirdisch feinen Gehör ausgestattet und hört ein halbes Jahrhundert ab nach dem Motto: „Die Augen kann man verschließen, die Ohren nicht.“(164)

Meist spitzt sich eine psychische Ausnahmesituation auf einen absurden Gegenstand zu, an dem der Wahnsinn abgerieben werden muss.

In Andreas Tiefenbachers Roman verfällt der Ich-Erzähler in eine formidable Sinn-Krise, hasst die Menschen wegen ihrer Gerüche und ihres Lärms, hat Angst vor seiner Frau, der er nach knapp einem Vierteljahrhundert Ehe nicht mehr gewachsen ist, und ist auf der Suche nach dem ultimativen Befreiungsschlag.

„Wie komme ich jemals von hier weg, wenn kein Leser mich begleitet?“ (62)
Wakusch, der Held der fluchtästhetischen Novelle, hat tatsächlich seltsame Sorgen.

Er ist entführt worden oder vom Geheimdienst verhaftet, sitzt als Nachkriegsgefangener am Flughafen Berlin Schönefeld in einer Douglas mit sowjetischen Hoheitszeichen und sieht, wie die Maschine propellert, aber nichts geschieht. Als Buchstabenheld unterliegt er den Gesetzen der Buchstabenwelt: Buchpersonen sterben durch das Nicht-gelesen-Werden.

In der Poesie gilt der Flug als ein eigener Zustand zwischen Wirklichkeit und Traum, weshalb  gerade in der Lyrik oft der Vogelflug als Verbindung zwischen diesen Erlebnissen eingesetzt ist.

Florian Lipus nennt seinen Roman einen Flug, Bostjans Flug, in dem der Held in einem Trance-haften und traumatisierten Zustand durch die Gezeiten gejagt wird.

Der Teufelszwirn ist eine fadenförmige Schmarotzerpflanze ohne Blätter und Wurzel, die ganze Kleefelder oder Kartoffeläcker aushungert und vertilgt.

Christo Karastojanow stellt seine Trilogie über die politischen Geschehnisse im Bulgarien der frühen 1920er Jahre unter den Schutz dieser höllischen Pflanze, die in ihrem Habitus perfekt an ein schmarotzendes politisches System erinnert, das sich über das Volk her macht. Als es nach dem ersten Weltkrieg so halbwegs wieder geordnet zugeht, stürzt die Ermordung des Premiers Stamboliski 1923 Bulgarien bis in die entlegenste Provinz ins Chaos.

Eine Hauptaufgabe der Literatur ist es, die Zeitgeschichte in diskussionswürdige Geschichten zu verpacken, um dann die Geschichtsforschung auf den Plan zu rufen.

Rainald Goetz nennt dieses Unterfangen in seinem Roman über den Wirtschaftsboss Johann Holtrop einen Abriss der Gesellschaft, was durchaus doppelsinnig zu verstehen ist als Dekonstruktion und Überblick.

Im aktuellen Literaturbetrieb benützen immer öfter dreißigjährige Autorinnen alte Protagonisten mit der Diagnose Krebs, um jenen Stoff zu erzählen, der ihnen als Dreißigjährige sonst nicht als glaubwürdig abgenommen würde.

Das hat vielleicht mit einer Sehnsucht zu tun, dass das Alter erträglich sein kann, wenn man es mit den Augen der Jugend sieht, das hat vielleicht mit dem Phänomen zu tun, dass selbst engagierte Junge nur mehr den Alten die Revolution zutrauen.

In kaum einer europäischen Gegend machen sich die Menschen das Leben so schwer, wie in Albanien. Als Verschärfung des politischen Regulativs kommt oft noch die Sippschaft hinzu, der niemand entrinnt. Die Sippe nämlich weiß immer, was der oder die Einzelne tut, im Familiengroßverband gibt es kein Individuum.

Lindita Arapi erzählt anhand des Mädchens Lodja von der Unwirtlichkeit des sozialen Zusammenlebens in Albanien. Das Mädchen wird von der Umwelt ferngehalten, es darf nicht mit anderen spielen oder am Abend auf den Corso, jeden Tag blickt es aus dem kleinen Fenster in den Innenhof. Wir sind nicht so wie die anderen, lautet die lapidare Erklärung.