Am Rande einer Gesellschaft gibt es oft nur noch schwarz und weiß, so dass man sich in der literarischen Darstellung am besten mit klaren Formen wie dem Western oder dem Marshal-Krimi helfen kann.

Elmore Leonard ist berüchtigt für seine klare Figuren-Sprache, einen Plot von der Schärfe eines Scherenschnittes und einem tödlichen Witz. Wie schlagen sich deine Verwandten dort, wird jemand gefragt, sie sitzen oder sind tot, lautet die lapidare Antwort. (19)

Das ist ja wie im Film, sagt man oft, wenn etwas melodramatisch dicht ist, ohne dabei daran zu denken, dass ja auch den Film einst jemand hat gestalten müssen und dazu ein Drehbuch geschrieben hat.

In Thomas Jonigks Roman „Melodram“ geht es um einen Film, der sich quasi verselbständigt und für die beteiligten Personen zu einem Stück echten Lebens wird. Dabei ist der Einsatz der Handlung vorerst nur dramatisch, eine etwas abgetakelte Schauspielerin Karin Hoffmann erlebt so etwas wie Brief-Stalking, ein Unbekannter schickt ihr jeweils Protokolle zu, indem ihre Aktivitäten und Kontakte in Detektivmanier aufgeschlüsselt sind.

Wenn jemand etwas genau auf den Punkt getroffen hat, fährt oft ein bestätigender Seufzer durch die Luft: So ist das.

Stephan Groetzner hat so etwas wie eine Selbstverständlichkeitsroman geschrieben, darin wird das komplizierte Leben der Helden auf einfache Sätze reduziert, gleichzeitig tut sich hinter diesen Sätzen eine wahre Wunderwelt von Mehrdeutigkeiten und Sinnprotuberanzen auf.

Haben schon ganze Sprichwörter einen unheimlichen Lebenssinn, so kippen Halbsprichwörter den Sinn oft in den Wahnsinn.

„Wer mit den Hunden schläft“ ist der Vorderteil eines Sprichwortes, bei dem üblicherweise das Aufwachen mit den Flöhen erfolgt. In Harald Danners Roman freilich wacht der Held mit einem Hund auf, dem er sein Leben erzählt, das in der Hauptsache aus unpassenden Sprichwörtern besteht.

Lassen sich Ungeheuerlichkeiten als Poesie besingen? Kann eine Geschichte stumm erzählt werden? Haben kontinentale politische Verschiebungen in einer einzigen Seele Platz?

Maria Matios Roman von der „süßen Darina“ spielt in der entlegenen Bukowina, die einst in der Habsburgermonarchie noch vergeblich auf Anweisungen aus Wien wartete, als die Monarchie schon längst zerfallen war. Diese Gegend wird oft als sanft und süß bezeichnet, aber es bedeutet auch eigenwillig. So wird auch Darina, wegen ihrer Eigentümlichkeit und ihrem abgeschotteten Wesen als die Süße bezeichnet.

Der Originaltitel „Kalendar Maja“ und der verrückt gute deutsche Titel sprechen gleichermaßen die Geheimbotschaft des Romans an: Es gibt eine mysteriöse Zeitmessung, die vielleicht für das Weltall gilt, vielleicht aber nur für uns persönlich gemacht ist.

Zoran Feric schickt in diesem Erkundungsroman den Protagonisten Thomir Romar durch eine Kindheit der Tito-Ära und anhand einer beinahe belanglosen Gynäkologen-Biographie durch die jüngere Zeitgeschichte Kroatiens.

Museen sind üblicherweise ein Ort der Anschauung mit beigefügtem Depot. Das Essl-Museum in Klosterneuburg startet immer wieder Versuche, durch die bloße Anwesenheit des Museums diverse Kunstgattungen zum Anspringen zu bringen.

Für die Sparte Literatur haben dabei sechs sogenannte junge österreichische Autoren und Autorinnen unter der Schirmherrschaft Erwins Ullmans im Umfeld des Museums ihre eigene Literatur in Gang gesetzt.

Ein Buchumschlag wie eine Formel, der Autor stark verkürzt auf die Buchstaben E. W. und Binder, der Titel als Programm, Inhalt und Aufmacher: Die Formel.

Schon vom Umschlag her reißt es einen in dieses Formel-Buch des Osttiroler Autors [Eckehard] Bichler, straff und magisch wie eine Formel legt ein Ich-Erzähler los. Der erste Eindruck ist, hier kommt Midland in Stilfs über eine Tiroler Verstörung ins Hinterzimmer von Thomas Bernhard.

Was wie eine Fernseh-Sendung oder eine Postille über Neo-Adelige dröhnt, ist der literarische Versuch, einen individuellen Ableger der jüngeren britischen Kolonialgeschichte zu erzählen.

Luke Williams rückt ein Menschenleben aus der „Sicht“ von Geräuschen, Tönen, Stimmen und deren Echos in den Mittelpunkt. Zu diesem Zweck ist die Heldin Evie Steppman mit einem geradezu überirdisch feinen Gehör ausgestattet und hört ein halbes Jahrhundert ab nach dem Motto: „Die Augen kann man verschließen, die Ohren nicht.“(164)

Meist spitzt sich eine psychische Ausnahmesituation auf einen absurden Gegenstand zu, an dem der Wahnsinn abgerieben werden muss.

In Andreas Tiefenbachers Roman verfällt der Ich-Erzähler in eine formidable Sinn-Krise, hasst die Menschen wegen ihrer Gerüche und ihres Lärms, hat Angst vor seiner Frau, der er nach knapp einem Vierteljahrhundert Ehe nicht mehr gewachsen ist, und ist auf der Suche nach dem ultimativen Befreiungsschlag.