Bei besonderen Schicksalsschlägen gleicht sich auch die Sprache der Struktur eines solchen Lebens an und wird dadurch über die Zeiten hinweg unverwechselbar.

Susanne Preglau hat im Sinne einer qualitativen Sozialforschung anhand der Biographie der aus Bosnien emigrierten Ani versucht, den üblichen Zahlen und Massenbewegungen ein Gesicht zu geben. Ani fährt 1971 mit sechzehn Jahren allein von einem entlegenen bosnischen Dorf nach Innsbruck und „Solbad Hall“, das Geld für den Aufbruch in ein neues Leben hat sie sich geliehen, Ani kann kein Wort Deutsch und kennt von weitschichtigen Verwandten nur die Wörter Fröschl und Swarovsky, dort soll es Arbeit geben.

Die Fälscherei ist genaugenommen das größte Betätigungsfeld, das sich ein Mensch aussuchen kann. Denn in jedem Beruf, bei jedem Kunstwerk, in jeder Aussage kann es zu einer Fälschung kommen. Voraussetzung für eine gelungene Fälschung ist, dass man vom sogenannten Richtigen eine Ahnung hat.

Hans Augustin legt seine Figuren immer an jene Kippe zwischen falsch und wahr, woran letztlich die Helden und die Leser gleichsam scheitern. Denn gerade die Wahrscheinlichkeit, dass das Wahre falsch ist und umgekehrt, macht eine eindeutige Erkenntnis schier unmöglich.

Seit das Lesen flächendeckend verbreitet ist, gibt es auch so etwas wie einen Reise-Reader, früher nach dem Verkehrsmittel „Rollwagen“-Büchlein genannt. Eines der bekanntesten dieser Kleinodien stammt vom Elsässer Jörg Wickram aus dem Jahre 1555, dabei geht es um allerhand Schwänke, die man kurz liest, dann schmunzelt man und schaut wieder in die Landschaft.

Hans Zehsigs hat sich dieses leichte Leseverhalten reisender Verlagskunden zu Nutze gemacht und allerlei Schnurren und Sprüche zusammengetragen, die sich meist um das Handwerk des Schreibens, Publizierens oder Fernsehens abspielen.

Figuren aus der Mythologie tauchen gerne wie in der Spionageszene als Schläfer ab, ehe sie dann zu einem besonderen Anlass geweckt und zu einem frischen Einsatz gebracht werden.

Birgit Schwaner hat für ihre dystopische Erzählung von einem digital entgleisten Gemeinwesen den einäugigen Zyklopen Polyphem zum Leben erweckt. Wie in unserer Gesellschaft üblich, dient der griechische Heroe als Namensspender für ein raffiniertes Produkt, in diesem Falle sind es Überwachungsdrohnen, die offensichtlich einäugig über der Stadt schweben.

Nicht nur Städte, Flüsse oder Gebirge lösen in uns an manchen Tagen Sehnsucht nach Poesie aus, manchmal sind es auch Verkehrswege, wie etwa die „Transsib“ oder die Route 66.

Beppo Beyerl wandelt in seinem historischen Sehnsuchtsführer auf der Straße mit sieben Namen, angelegt zwischen Wien und Triest. Natürlich schwingt etwas von einem geheimnisvollen Weg mit sieben Siegeln mit, andererseits führt die Straße zumindest vor der Haustüre in Wien den verkehrs-berüchtigten Namen Triester Straße oder Bundesstraße siebzehn.

Jeder Landstrich braucht seinen eigenen Chronisten, um in die Besonderheiten des Geländes auch mit entsprechender Tiefenschärfe einzudringen.

Martin Ahrends bedient sich für seine Satiren aus der ostdeutschen Provinz der Krähe, um das darniederliegende Land in Randlage zumindest in der Fiktion wieder in die Höhe zu bringen.

Manche Titel brechen einem schon beim puren Vor-sich-hin-Murmeln das Herz, weil sie es in einer brutalen Silbenfolge so richtig sagen. „Brechen-brach-gebrochen“ erinnert an ungute Situationen, wo jemand vielleicht die Sprache lernen muss, während sie ihm ein anderer einprügelt und dadurch das Rückgrat bricht.

Luise Maria Schöpf bricht ihre Gedichte und Aphorismen oft wörtlich übers Knie, und wenn dann die semantischen Splitter durch die Gegend fliegen, ist vielleicht der Gedanke frei, der in einem Wortknäuel verwürgt gewesen ist.

Wenn sich eine Lese-Gesellschaft einmal dafür entschieden hat, einen Klassiker auszurufen, dann muss dessen Status immer wieder überprüft und müssen seine Texte für jede Generation zugänglich gemacht werden.

Norbert C. Kaser ist verdientermaßen ein Klassiker, er hat die Südtiroler Literatur zum Leben erweckt und mit seinem klaren Furor dem Land mehr Selbstbewusstsein geschenkt als alle Landeshauptleute zusammen.

Das Projekt die andere Geschichte geht in die zweite Runde. Sinn dieser Publikationen ist es, ein gemeinsames Auftreten unterschiedlichster Autorinnen zu dokumentieren.

Der Leser sucht sich dabei seinen persönlichen Geschichtenmix zusammen, die Texte sind in den thematischen Schalen „Freunde / Gedanken / Wendepunkte / Wind / Feuer / Alt / Neu / Begegnungen“ zur Verkostung ausgelegt.

Wer die Heimat verliert, tauscht dafür zwei Fremden ein. - Nicht nur das neue Leben wird fremd, auch das bisherige verabschiedet sich von einem.

Christoph W. Bauer stellt in seinem Erinnerungsbuch aus der Gegenwart zehn jüdische Innsbruckerinnen und Innsbrucker vor, die alle nach dem Anschluss mehr oder weniger gerade noch ins Ausland fliehen konnten. Oft sind alle Spuren ausgelöscht, die Wohnungen okkupiert und nie mehr zurückgegeben worden.