Das sind immer die aufregenden Texte, wenn das verspielte Erzählen selbst erzählt wird.

Isabella Breier trifft für ihren „Allerseelenauftrieb“ ein üppiges Arrangement. Quer über den Text werden Mikrophone aufgestellt, alle möglichen Datenträger zeichnen Gespräche oder Träume auf, in üppigen Sequenzen werden Fragebögen ausgefüllt und Analysen gestartet.

„Es gibt Griechen, die kritisch über sich nachdenken, und Griechen, die das nicht tun. Die folgenden Gedanken richten sich vor allem an die Zweiten. Sie sind jedoch den Ersteren gewidmet.“ (7)

Den eigenen Landsleuten einen wenig schmeichelnden Spiegel vorzuhalten, kommt meist nicht gut an. Dennoch nimmt sich der Philosoph Nikos Dimou in seiner Aphorismensammlung „Über das Unglück, ein Grieche zu sein“ kein Blatt vor den Mund. Doch wer genau liest, erkennt rasch, dass zwischen den Zeilen der Kritik, Liebe und Zuneigung, das „Wir“ dominieren.

Guter Sex besteht aus einem handwerklichen Teil und dem verbalen Design. Kaum ein Thema lässt sich durch Changieren zwischen diesen beiden Ebenen so heftig diskutieren wie diese Praktiken, die jeden herausfordern und wovon jeder will, dass es gut gelingt.

Barbara Balldini arbeitet als Sex-Therapeutin einerseits im diskreten Gespräch, andererseits in großer Öffentlichkeit. Bei Kabarettsitzungen lacht im Idealfall das Publikum wie ein griechischer Chor und reinigt die ganze Stadt mit seinem Gelächter.

Das gehört zu den brennendsten Fragen der Literaturgeschichte: Wie kann man einen dicken Roman, den man kaum lesen kann, so straff zeichnen, dass man ihn wundersam leicht anschauen kann?

Nicolas Mahler ist der Meister der Reduktion, Figuren sind ihm oft zu üppig und werden deshalb meist weggelassen, das Gesicht des Protagonisten ist nur lästig, weshalb es zu einer Nasen-Wurst reduziert ist. Da kommt ihm das erste Kapitel aus Musils Monsterwerk der Mann ohne Eigenschaften gerade recht, dieses ist nämlich mit der wundersamen Fügung überschrieben: „Woraus bemerkenswerterweise nichts hervorgeht.“

Ballast gilt in der Verdauung und im Ballonwesen als etwas Wertvolles, in der Psychologie und Soziographie allerdings als etwas Suboptimales.

Christoph Dolgan schickt in der „Ballastexistenz“ einen Ich-Erzähler vor allem auf den Balkon, von wo aus er das Leben geduckt verfolgt. Dieser Held ist Ballast auf allen Linien und empfindet sich selbst auch als überflüssig. „Ich mache keinen Mucks, fresse alles in mich hinein.“ (23)

Im Stimmenroman versammeln sich Sprüche, Ausfälle oder Anleitungen längst verschollener Situationen im Kopf zu einem stets abrufbaren Album aus vergangenen Zeiten.

Reinhard Wegerth setzt diese Erinnerungsmethode nach dem Roman „Damals und dort“ (2010) jetzt mit dem fast logischen Nachfolge-Roman „Früher und hier“ (2013) fort.

So wie Fahnen von Zeit zu Zeit ausgerollt und wieder zusammengefaltet werden müssen, müssen auch die patriotischen Helden einer Gegend von Zeit zu Zeit aufgefrischt und „reloaded“ werden.

Martin Wanko hat im Umfeld des 170sten Geburtstags von Peter Rosegger mit Hilfe eines Projektes ein paar steirische Amtskollegen eingeladen, Peter Rosegger aufzufrischen und für die Gegenwart herunterzuladen.

Ein Mann vergafft sich in der Straßenbahn in eine Frau, geht ihr im geordneten Stalking-Abstand hinterher bis zu ihrer Wohnungstür. Als sie darin verschwunden ist, riecht er an der Tür und stellt fest, dass sie geruchlos ist. – Was ist das, eine Beschreibung eines Psychopaten, eine erotische Abbruchgeschichte, eine Meldung über das Versagen der Sinnesorgane?

In Philipp Rödlings zehn Erzählungen von der Stille am Ende des Flurs klaffen meist Oberfläche und Tiefgang des Beobachteten auseinander. Wenn die Wohnungstür geruchlos ist, wird auch alles Dahinterliegende unfassbar und unriechbar. Der Betrachter steht fassungslos vor der vollkommenen Entkoppelung zwischen Erotik und Körperlichkeit, die Sinnesorgane sinnen ins Leere, die eingelangten Impulse zur Außenwelt sind falsch verkabelt, sodass sie im Hirn des Empfängers unnütze oder falsche Bilder erzeugen.

Ein Fächer verhüllt einerseits das Antlitz, gleichzeitig bewegt er es durch seine Zuckungen. Wenn er dann gar noch zu schaudern anfängt, liegt das entweder am Gesicht oder an der Welt, die er beide jeweils zu bewegen versucht.

Ann Cotten nimmt ein japanisches Kult-Gerät in die Hand, um in siebzehn Erzählungen Bewegung in emotionale Ruhezonen zu bringen. Dabei geht es meist um Gefühle, die sich kunstvoll an der Oberfläche wegwischen lassen oder deren Tiefgang durch rituelle Handlungen kalt gehalten werden müssen.

Die meisten Autoren werden kurzfristig aus ihrem Schreiberdasein gerissen, wenn sie Vater werden. Bei der Beobachtung der ersten Geräusche des Kindes definieren sie sich dann meist als Dichter neu, gleicht doch das Kinderlallen durchaus den Grundstrukturen der Literatur.

Andreas Unterweger ist also Vater geworden und feiert dies mit einem „Roman“ aus Notizen, den er in der Struktur seiner neuen Rolle anpasst. Einerseits werden die Begebenheiten, Geräusche und Verdauungssequenzen des Kindes aufmerksamen notiert, andererseits müssen diese Notizen dann vor dem großen Auge der Weltliteratur Platz nehmen und ihre Bedeutung kundtun.