„Wie komme ich jemals von hier weg, wenn kein Leser mich begleitet?“ (62)
Wakusch, der Held der fluchtästhetischen Novelle, hat tatsächlich seltsame Sorgen.

Er ist entführt worden oder vom Geheimdienst verhaftet, sitzt als Nachkriegsgefangener am Flughafen Berlin Schönefeld in einer Douglas mit sowjetischen Hoheitszeichen und sieht, wie die Maschine propellert, aber nichts geschieht. Als Buchstabenheld unterliegt er den Gesetzen der Buchstabenwelt: Buchpersonen sterben durch das Nicht-gelesen-Werden.

Seit Markus Koschuh ein abendfüllendes und staatstragendes Stück über das Unwesen der Tiroler Agrargemeinschaften geschrieben hat, wirken auch seinen kürzeren Texte aus der Tiefe des Alltags wie verbotene Spikes in einem scharf gewuchteten Reifen.

Markus Koschuh nimmt für seine literarischen Piecen immer ein Stück Wirklichkeit, klaubt diese vom sumpfigen Boden der Medien auf und wirft sie wie ein Hölzchen durch die Luft. Manchmal saust diesem Stück Wirklichkeit das Publikum wie ein Hund auf der Wahrheitssuche hinterher, manchmal fällt so ein Stück Literatur einfach wieder zurück in den Morast des Alltags und versinkt.

An der Schwelle zum Herbst des Lebens reißen sich in der Literatur die Helden oft noch alle Abenteuer vom Leib und versuchen kontemplativ auf den unsterblichen Sinn des Daseins zu stoßen.

Hannes Hofinger nimmt mit dem fruchtigen Titel „Erdbeere mit Flieder“ den Helden Daniel Hiob ins Visier, der schon allein durch seinen Namen ein Programm zwischen Kampf und Niederschlag mit sich durchzieht.

Was wie ein politischer Auszählreim klingt, ist ein poetisch-journalistisches Schreibprogramm der literarischen Connection „Die Schreibmaschinen“, die ihrerseits im Dachverband der Innsbrucker Literaturzeitschrift „Cognac und Biskotten“ untergebracht sind.

Die Schreibmaschinen treten lose in stets veränderter Form in den diversen Literaturzentren auf oder machen wie im Falle Budapest eine unscheinbare Stadt durch ihren Aufenthalt zu einem literarischen Ereignis.

„Vor die Wahl gestellt zwischen Kummer und Nichts, nehme ich den Kummer.“ (116)

Was mit der Märchen-Formel „Es war einmal“ beginnt, ist der alptraumhafte Versuch, mit den Mitteln der Poesie und der archaischen Gedichtform das Unheimliche zu beschreiben, nämlich die Auswirkungen des implodierten Reaktors Fukushima.

„Wie ist das mit Klima, Demographie, Islam und alles? - Ja.“ (55)
Etwa nach dieser skurrilen Fragestellung des so genannten Qualitätsjournalismus funktionieren viele der über vierzig Erzählungen, die Dietmar Daths unter dem ziemlich weltverlorenen Titel „Kleine Polizei im Schnee“ versammelt hat.

In der Hauptsache setzen sich diese Erzählungen aus essayistischen Kurzdialogen, spontanen Übermüdungen der Helden, glossistischen Aufarbeitungen von Headlines sowie utopischen Identitätsverlusten zusammen.

Von manchen Ländern ist in unseren Gestaden fast nichts bekannt und schon gar nicht deren Literatur. Von Tschetschenien wissen wir höchstens, dass dort Ausnahmezustand herrscht und viele Menschen das Land verlassen haben.

Musa Beksultanow, im Exil in Kasachstan geboren, lebt in Grosny, seine Erzählungen handeln immer wieder von Tschetschenien, das er mit den Mitteln der Trance, der Mythologie und der Erzählkraft der Vorfahren darzustellen versucht.

Am besten lässt sich der sogenannte Sinn des Lebens beschreiben, wenn man alte, gut abgehangene Lebensentwürfe abtastet und mit dem Glanz der öffentlichen Gegenwart vergleicht.

Im „Moabit-Blues“ von Thomas J. Hauck gehen am Rande eines vollen Lebens zwei Figuren auf einander zu, aber es kommt nur zu einer flüchtigen Begegnung, wie sie Fahrgäste beim Warten erleben, wenn sich ihre Transfers in entgegengesetzte Richtungen verlaufen.

In allen Kulturen gibt es sagenhafte Sprichwörter des Überlebens. Was im österreichischen Operetten-Sound heißt, „vergiss, was nicht zu ändern ist“, heißt in der Hauptstadtkultur des Iran „Küss die Hand, die du nicht brechen kannst.“

Ulrich Ladurner hat aus seinen Einsätzen als Korrespondent in Krisengebieten eine eigene literarische Form entwickelt, die man vielleicht als Überlebensroman bezeichnen könnte. Dabei wird die Faktenlage, die üblicherweise über die Medien gesendet wird, mit handfesten Schicksalen und Figuren unterlegt. Diese Figuren sind natürlich typisiert und anonymisiert, aber sie tragen im Kern jeweils echte Sätze von echten Interviews in sich.

Manchmal müssen in der Literatur die Figuren durch die Hölle und versuchen dabei den Leser in den Strudel ihres Schicksals zu ziehen.

Jürgen-Thomas Ernst lässt in seiner Erzählung „Levada“ den Überlebenden einer Höllen-Ehe darüber räsonieren, wie ein Zusammenleben zwar ständig an der Kippe steht, aber wie in einer geheimen Mission über die Bühne und durch das Leben gebracht werden muss.