Uwe Ladstädter (Hrsg.), Da und dort
"Osttirol. Das könnte die DDR Tirols sein, aber das ist es nicht." – Da und dort handelt von Osttirol, wie es in der Welt liegt, wie die Bewohner immer frecher werden und Selbstbewusstsein entwickeln, wie es sich überall auf der Welt eine tolle Heimat entwickeln lässt, wenn man genug Humor dafür mitbringt, und wie da und dort prächtige Literatur entsteht, wenn man sie aufkommen lässt.
Zusammengehalten wird dieses literarische Selbstbewusstsein durch die Lienzer Wandzeitung. In ihr werden nicht nur monatlich neue Texte vorgestellt, alle zwei Jahre schreibt deren Redaktion auch den Christoph-Zanon-Preis aus, benannt nach dem jung verstorbenen Osttiroler Schriftsteller Christoph Zanon.
"Da und dort" handelt von der Spannung zwischen innen und außen, Mittelpunkt und Peripherie, Zufall und Planung.
So baut Christoph Ebner seine Dolomitenklänge aus zwei Elementen zusammen, der Visionist veredelt die Zukunft zu einem gigantischen Glückshaufen dolomitischen Ausmaßes, der Provokationskünstler hält diesem Entwurf eine in den Kitsch überdrehte goldene Schöpfungsgeschichte entgegen. Der Dialog geht immer wieder ins Leere, das von weit her geholte Pathos kracht zwischendurch geräuschlos zusammen.
Hans Karl Peterlini gibt seiner Ode an dieses verrückte Land, in dem er vorgeblich nie gewesen ist, das er aber aus der Zeitung als Skurrilitätenparadies kennt, nicht einmal einen Namen. Ohne Titel werden die Heldentaten besungen, Ausgrenzungen und Vereinnahmungen, Wilderergeräusche, steile Lyrik auf matten Hängen, und mittendrin fragt der Text ganz unverhohlen:
Dürfen eure Viecher Sex miteinander haben? Habt ihr noch Dorftrottel in eueren Dörfern, vertrocknete Jungfrauen? Habt ihr das? (38)
Mit einer Sommer-Abhau-Fluchtgeschichte berichtet Uwe Ladstädter von einer Radtour ins Weinviertl. Der Erzähler versucht in kursiver Schrift, halbwegs im Stil eines Reiseführers die Besonderheiten der Gegend und der Kultur zu notieren, gleichzeitig gerät das reale Ich völlig außer Kontrolle. Odysseen der äußeren und inneren Art machen der Alltagsexpedition zu schaffen, in dieser Geschichte ist wirklich kein Unterschied zwischen dem da und dem dort.
Im Reader sind insgesamt fünfzehn freche Texte gesammelt, Osttirol kann literarisch mit jeder literarischen Gegend mithalten, lautet die Erkenntnis. Und die Osttiroler haben noch dazu den Vorteil, dass sie die Hände im Hosensack haben, während sie schreiben. So weiß man als Leser nie, was sie treiben, aber wenn sie die Texte aus dem Sack ziehen, sind sie vollkommen.
Uwe Ladstädter (Hrsg.), Da und dort. Orts- und Reisebilder der Lienzer Wandzeitung. Beiträge von Oswald Blassnig, Christoph Ebner, Heli Gander, Christoph Huber, Elfriede Kehrer, Uwe Landstädter, Josef Pedarnig, Claudia Peer, Hans Karl Peterlini und Roman Urbaner.
Innsbruck: Skarabaeus 2006. 131 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-7082-3207-2.
Weiterführender Link:
Skarabaeus-Verlag: Uwe Ladstädter (Hrsg.), Da und dort
Helmuth Schönauer, 16-01-2007