Jan de Leeuw, Roter Schnee auf Thorsteinhalla

Buch-Cover"Die Rachgier ist ein Rad, das nimmer stille steht: Je mehr es aber läuft, je mehr es sich vergeht" schrieb Angelus Silesius in seinem "cherubinische Wandersmann" und die unstillbare Gier nach Rache ist auch das zentrale Motiv des Jugendromans "Roter Schnee auf Thorsteinhalla".

Jan de Leeuw thematisiert in seiner Wikingersaga die fesselnde Geschichte des Kampfes um die Vorherrschaft zwischen den führenden Wikingerfürsten Norwegens zur Zeit des ersten Norwegerkönigs Harald Schönhaar.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Hallgerd, die temperamentvolle rothaarige Tochter des norwegischen Jarls Thorstein Ketilsson und der irischen Prinzessin Hervör, die mit dem jungen Magnus, dem Sohn des befreundeten Jarls Gripir, verheiratet werden soll. Hallgerds Stiefmutter freut sich bei dem Gedanken Thorsteins ältestes Kind endlich los zu werden.

Hallgerd flieht in den nächtlichen Wald und begegnet bewaffneten und verkleideten Reitern, auf ihrem Weg zu einem hinterhältigen Überfall auf Thorsteinhalla. Ihr Vater und alle Anwesenden auf dem Hof fallen dem grausamen Überfall durch den verfeindeten Jarl Asmund zum Opfer. Nur Magnus, Gripirs Sohn, kann das Massaker überleben und von Hallgerd in Sicherheit gebracht werden.

Auf dem Grab ihrer Familie schwört Hallgerd Rache an Asmund zu nehmen und mit ihrer Heirat mit Magnus Gripirsson, dem Neffen König Haralds, legt sie das Fundament für ihren grausamen Racheplan, der nicht nur Asmund und seine Familie in den Abgrund reißen wird.

Jan de Leeuws Jugendbuch ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Stück Jugendliteratur. Mit viel Einfühlungsvermögen in das historische und geographische Umfeld entführt der Autor die Leserinnen und Leser in die Welt der Wikinger des 9. Jahrhunderts. Der Höhepunkt der Zeit der Raubzüge, mit denen die Männer aus dem Norden die Küstenstriche Europas in Angst und Schrecken versetzten ist überschritten und die Auseinandersetzung um die Vormachtstellung im entstehenden Königreich Norwegen ist in vollem Gang.

Vor diesem historischen Hintergrund zeichnet de Leeuws ein Familiendrama in dem ein uraltes Motiv der Weltliteratur im Mittelpunkt steht: die Rache. Am Beginn steht die Ausschaltung eines konkurrierenden Fürsten, bei der alle Verwandten der Heldin Hallgerd grausam ermordet werden. Hallgerd trifft der Verlust ganz besonders, weil sie zu diesem Zeitpunkt in einer tiefen Auseinandersetzung mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter steckt und sich selbst für die Ermordung der beiden mitschuldig fühlt. Hallgerds Rache dient also nicht nur der Vergeltung sondern auch der eigenen Befreiung von Schuldgefühlen. Dabei erscheinen die zahlreichen Grausamkeiten mitunter unnötig ästhetisiert.

Dabei ist sie bereit selbst Schuld auf sich zu laden und alle Menschen für ihren Rachefeldzug zu missbrauchen. So stirbt z.B. ihr Ehemann Magnus, als er von ihr zur Ermordung Asmunds überredet wird, was diesem aber misslingt. Auf der anderen Seite zeichnet sich ihr großer Kontrahent Asmund durch große Grausamkeit aus und versetzt seine Umgebung in Angst und Schrecken. Überaus spannend lässt der Autor die Leser bis knapp vor Schluss im ungewissen, wer von den beiden sich schließlich durchsetzen kann.

Bemerkenswert ist aber auch der Stil des Erzählens, in dem der Autor den Faden der Geschichte ständig aus der Perspektive eines neuen Erzählers vorantreibt. Wird zu Beginn der Geschichte der Überfall auf Thorsteinhalla aus der Sicht Hallgerds erzählt, erfahren wir aus Magnus? Sicht wie er Hallgerd kennenlernt, wir erleben wie Magnus Mutter Gudrun sich im Spiel der Macht und Rache wiederfindet oder wie Asmund die Auseinandersetzung mit Hallgerd vorbereitet. Aber auch scheinbar unwichtige Protagonisten wie Hallgerds Sklavin Bronwen oder Asmunds Sklave Regin erweitern die Erzählperspektive und geben ein überaus komplexes und detailliertes Gesamtbild der Geschichte und aller Beteiligten.

Jan de Leeuw ist mit "Roter Schnee auf Thorsteinhalla" ein beeindruckendes und überaus spannend geschriebenes Geschichtsdrama gelungen, das nicht nur für Jugendliche interessant zu lesen ist. Der komplexe Aufbau der Erzählung und das schwierige Thema setzen geübte Leserinnen und Leser voraus und machen das Buch somit für ältere Jugendliche und Erwachsene empfehlenswert.

Jan de Leeuw, Roter Schnee auf Thorsteinhalla. Übers. Rolf Erdorf, Ill. v. Claudia Lieb, ab 16 Jahren
Hildesheim: Gerstenberg-Verlag 2010, 384 Seiten, 17,50 EUR, ISBN 978-3-8369-5310-8

 

Weiterführende Links:
Gerstenberg-Verlag: Jan de Leeuw, Roter Schnee auf Thorsteinhalla
Wikipedia: Jan de Leeuw

 

Anderas Markt-Huter, 19-08-2010

Bibliographie

AutorIn

Jan de Leeuw

Buchtitel

Roter Schnee auf Thorsteinhalla

Originaltitel

Rode sneeuw

Erscheinungsort

Hildesheim

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Gerstenberg-Verlag

Illustration

Claudia Lieb

Übersetzung

Rolf Erdorf

Seitenzahl

384

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-8369-5310-8

Lesealter

Altersangabe Verlag

16

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Jan de Leeuw wurde in Aalst in Belgien geboren und ist Psychologe und Jugendbuchautor. Schreiben wollte er schon immer. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.