Kirsten Boie, Der durch den Spiegel kommt

Buch-Cover

"Nicht jeder ist ein Held, der seinen Bogen spannt. Am Tag erst der Gefahr wird Heldenmut erkannt", bemerkte vor knapp 1000 Jahre der jüdische Philosoph Avicebron.

Kirsten Boies Kinderroman Der durch den Spiegel kommt handelt von einem Helden, der gar kein Held sein will. Genauer gesagt, ist der Held kein Held sondern eine Heldin. Es die Geschichte der 10-jährigen Anna, die sich alles vieles sieht, nur nicht als tapfere Heldin.

In einem Prolog gibt geheimnisvoller Unbekannter, "Der-über-den-Wolken-wohnt" einem kleinen Kaninchen den wichtigen Auftrag, das "Land auf der anderen Seite des Spiegels" vor Evil dem Fürchterlichen zu befreien, der in den Bergen des Bösen herrscht und der sich daran macht auch die letzten menschlichen Siedlungen zu erobern.

Anna lebt bei ihrer Mutter, seitdem sich ihre Eltern getrennt haben. Als ihr langweilig ist, wird sie von ihrer Mutter zum Einkaufen geschickt, wo sie auf dem Weg plötzlich auf ein Kaninchen trifft, das keinerlei Angst vor ihr zu haben scheint und ebenso plötzlich liegt vor ihr auf dem Boden ein altmodischer, silberverzierter Handspiegel. Als sie die Rückseite des Spiegels betrachtet, findet sie sich im Land auf der anderen Seite des Spiegels wieder.

Als Anna in Panik ausbricht und ihre Mutter um Hilfe ruft, beginnt das Kaninchen mit ihr zu sprechen und beruhigt sie, indem es ihr zeigt, dass sie nur den Spiegel umzudrehen braucht, um wieder heim zu kommen und dass bei ihr Zuhause auch keine Zeit vergeht, während sie sich auf der anderen Seite des Spiegels befindet.

Gemeinsam mit dem Kaninchen gelangt Anna in ein Dorf, wo sie zunächst voller Misstrauen betrachtet wird, erst als sie den Spiegel in Annas Hand entdecken, schlägt die Stimmung ins Gegenteil um.

"Du musst nicht erschrecken", hat der Wirt gesagt und mich auf eine Bank gewinkt. "Es ist alles, wie die Prophezeiung es sagt. Ein Kühner Kämpfer, der durch den Spiegel kommt. Von Westen. Und bei vollem Mond." "Aber ich bin kein Kühner Kämpfer!", hab ich gesagt. "Ich kann ja nicht mal Judo!"

Der Wirt erzählt Anna von Evil dem Fürchterlichen, der begonnen hat, das Land zu erobern und alle Lebewesen zu seinen Geschöpfen zu machen nur die Menschen konnten Evil bisher widerstehen, doch auch sie werden von Tag zu Tag weniger. Anna erscheint als letzte Hoffnung, um die Menschen zu retten und obwohl sie sich anfangs mit aller Kraft gegen den Auftrag wehrt, Evil den Schrecklichen zu besiegen, fügt sie sich in ihr Schicksal. Schließlich ermöglicht ihr der Spiegel jeden Augenblick die Flucht nach Hause.

Auf dem Weg zu Evil, der durch eine steinige Steppe führt, werden Anna und das Kaninchen von Evils Häschern verfolgt und dabei passiert die Katastrophe: Anna verliert den magischen Spiegel, ohne den sie, das Land auf der anderen Seite nicht mehr verlassen kann. Bei einem Bauern lernt sie den gleichaltrigen Rajún kennen, der sie auf ihrem Weg zu Evil dem Fürchterlichen begleiten wird.

Kirsten Boie erzählt eine wunderbare Geschichte von Angst, Mut und der Bereitschaft über sie hinaus zu wachsen. Sie stellt auch die Frage danach was ein Held überhaupt ist. Alle stellen sich den Kühnen Kämpfer als Helden in Rüstung und Schwert vor. Ganz besonders Anna, ein ganz gewöhnliches Mädchen und damit stellvertretend für alle jungen Leserinnen und Leser, kann sich mit ihrer Rolle als Heldin bis zum Schluss nicht identifizieren. Sie glaubt an eine Verwechslung und wünscht sich, dass andere ihre Aufgabe übernehmen sollen, gegen die sich voller Angst wehrt. So ist sie auch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit bereit, die Flucht zu ergreifen, um der bevorstehenden Auseinandersetzung mit Evil zu entfliehen.

Annas Geschichte ist auch die Geschichte einer inneren Auseinandersetzung, vom Mut eigene Schritte zu setzen, aber auch eine Parabel für Zivilcourage, dass nicht die anderen es sind, die etwas verändern können, sondern dass wir selbst Schritte setzen und Ängste abbauen müssen, und sei es nur die Angst, neue Freunde kennen zu lernen.

Kirsten Boies "Heldenroman" scheint auf den ersten Blick gar keine Helden zu haben, erst auf dem zweiten Blick erkennen wir uns selbst in unserem Ringen um richtig und Falsch, in unseren Augenblicken von Angst und Mut wieder. Ein schönes Buch das vielen jungen Leserinnen und Lesern Mut machen wird, auch mal über den eigenen Schatten zu springen.

Kirsten Boie, Der durch den Spiegel kommt. Ill. v. Verena Körting, ab 10 Jahren
Hamburg: Oetinger-Verlag 2010, 272 Seiten, 15,40 EUR, ISBN978-3-7891-3183-7

 

Weiterführende Links:
Oetinger-Verlag: Kirsten Boie, Der durch den Spiegel kommt
Wikipedia: Kirsten Boie

 

Andreas Markt-Huter, 22-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Kirsten Boie

Buchtitel

Der durch den Spiegel kommt

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Oetinger-Verlag

Illustration

Verena Körting

Seitenzahl

272

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-7891-3183-7

Lesealter

Altersangabe Verlag

10

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Kirsten Boie wurde in Hamburg geboren und ist eine der renommiertesten deutschen Autorinnen des modernen Kinder- und Jugendromans. Neben Kinder- und Jugendbüchern schreibt Kirsten Boie auch kleinere Drehbücher fürs Kinderfernsehen, außerdem Vorträge und Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Kinder- und Jugendliteratur. Sie lebt mit ihrem Mann im Einzugsbereich von Hamburg.