Ursel Scheffler, Alle nannten ihn Tomate

„Seht doch den Mann! Wie der uns beobachtet! Und wie der aussieht mit seiner Tomatennase! Jetzt zieht er den Schal vor das Gesicht, wahrscheinlich, damit ihn niemand erkennt! Bestimmt ist er ein Räuber!“

Ursel Scheffler thematisiert in ihrem Kinderbuch „Alle nannten ihn Tomate“ was es heißt ein Außenseiter zu sein, dem die Menschen mit Vorurteilen und Verdächtigungen gegenübertreten.

Die Geschichte spielt in einer großen Stadt, in der ein Mann aus einem fremden Land lebte, in dem es so kalt war, dass er sich einmal seine Nase erfroren hat. Auch heute noch beginnt sie besonders rot zu leuchten, wenn es kalt wird. Die Menschen der Stadt begegnen dem Mann mit Vorsicht und Distanz und sprechen hinter seinem Rücken über seine rote Nase.

„Seht nur, seine Nase! Sie ist so rot wie eine Tomate. Das kommt sicher vom Schnapstrinken.“ Und weil sie seinen fremd klingenden Namen nicht aussprechen konnten, nannten sie ihn einfach „Tomate“.

Niemand unterhielt sich mit dem Mann und die Kinder begannen zu tuscheln, wenn er auftauchte und ihn als Räuber zu verdächtigen. Als es eines Tages zu einem Banküberfall kommt, wird sofort „Tomate“ als Räuber verdächtigt, hatte der Bankräuber sein Gesicht noch dazu mit einem roten Schal verdeckt, wie ihn auch „Tomate“ häufig trug. Als die Kinder von einem verdächtigen Mann mit einer Tomatennase erzählen, verbreitet sich das Gerücht vom gefährlichen Mann mit der Tomatennase wie ein Lauffeuer in der Stadt.

Als alle beginnen „Tomate“ für einen gefährlichen Räuber zu halten, ergreift dieser die Flucht aus der Stadt und versteckt sich in einem alten verlassenen und verfallenen Haus am Stadtrand. Nach ein paar Tagen zwingt ihn der Hunger und die Kälte Kartoffeln, Rüben u.a. aus den Scheunen, Schuppen und Kellern von nahegelegenen Häusern zu stehlen, um nicht zu verhungern.

Als es endlich Frühjahr wird und die Tage länger werden, entdecken der Polizist Tobias Kern und der Stadtrat Fabian Kern „Tomate“ in dem verfallenen Haus, das abgerissen werden soll, um einem neuen Kinderheim Platz zu machen. Tobias Kern erkennt in „Tomate“ den vermeintlichen Bankräuber und verhaftet ihn, obwohl der Bankraub mittlerweile längst aufgeklärt worden ist. Aber auch „Tomate“ will sich nicht mehr länger verstecken und Lebensmittel aus den Häusern stehlen.

Die Zeitungen der Stadt melden von der Verhaftung des „Räubers Tomate“, die unterschiedliche Reaktionen auslöst. Stadtrat Pix beschließt, sich um den unschuldigen „Tomate“ zu kümmern und hat auch gleich ein gute Idee, wie er dem verängstigten, einsamen „Tomate“ am besten helfen kann.

Ursel Scheffler setzt sich sehr einfühlsam auf kindergerechte Weise mit den Themen Außenseitertum, falsche Verdächtigung, Vorurteil und dessen Überwindung auseinander. Sie zeigt wie schnell sich falsche Gerüchte verbreiten, rasch eine eigene Wirklichkeit annehmen und das Leben eines unschuldigen Menschen zerstören können.

Ursel Scheffler zeigt aber auch auf, wie sich Vorurteile überwinden lassen, indem sie den Blick auf den konkreten Menschen mit seinen Ängsten und inneren Werten lenkt. Vor allem aber, wie sehr sich dass wir einen Menschen beginnen mit anderen Augen zu sehen, wenn wir bereit sind ihn kennen zu lernen und nicht nur nach seinem Äußeren zu beurteilen. Ein überaus empfehlenswertes, lehrreiches und berührendes Bilderbuch, das wichtige gesellschaftliche Themen anspricht und die jungen Leserinnen zum Nachdenken und Diskutieren anregen wird.

Ursel Scheffler, Alle nannten ihn Tomate. Ill. v. Jutta Timm, ab 4 Jahren
Ravensburg: Ravensburger-Verlag 2012, 32 Seiten, 10,30 €, ISBN 978-3-473-44585-1

 

Weiterführende Links:
Ravensburger-Verlag: Ursel Scheffler, Alle nannten ihn Tomate
Wikipedia: Ursel Scheffler
Homepage: Jutta Timm

 

Andreas Markt-Huter, 13-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Ursel Scheffler

Buchtitel

Alle nannten ihn Tomate

Erscheinungsort

Ravensburg

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Ravensburger-Verlag

Illustration

Jutta Timm

Seitenzahl

32

Preis in EUR

10,30

ISBN

978-3-473-44585-1

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Ursel Scheffler wurde in Nürnberg geboren und studierte Sprachen und Literatur in München. Die erfolgreiche Kinderbuchautorin hat mittlerweile fast 200 Bücher veröffentlicht. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Hamburg.<br />Jutta Timm, geboren in Cuxhaven, aufgewachsen in Karlsruhe, war nach einem Grafikstudium mehrere Jahre als Werbegrafikerin tätig. Jutta Timm hat zwei Kinder, sechs Enkelkinder und lebt seit 1971 mit ihrem Mann in Hamburg.