Georg Schmidt, Die Reiter der Apokalypse

georg schmidt, die reiter der apokalypse„Wer vergangenes Geschehen rekonstruiert, darf die Möglichkeiten der Handelnden nicht überschätzen. Sie waren geprägt vom Zeitgeist ihrer Milieus, von der Bibel und den Vorgaben der Geschichte. Eine Erzählung des Dreißigjährigen Krieges kann sich deswegen nicht auf die Jahre zwischen 1618 und 1648 beschränken. Jeder historische Anfang besitzt Ursachen und jedes Ende Folgen.“ (23)

Mit dem berühmten Prager Fenstersturz im Frühjahr 1618 nimmt ein Krieg seinen Anfang, der dreißig Jahre andauern und die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches um die Hälfte dezimieren sollte. Georg Schmidt erzählt die Geschichte dieser großen Katastrophe in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts neu und verknüpft dabei geschickt historische Deutung und zeitgenössische Urteile aus Tagebuchaufzeichnungen, Quellen und Predigten.

Georg Schmidt zeichnet ein Bild einer Epoche, die den Krieg als Strafe Gottes ebenso verstanden hat, wie als Kampf um die deutsche Freiheit, ein Kampf um die religiöse Deutungshoheit zwischen Katholiken und Reformierten aber auch als Machtkampf zwischen den Reichsständen und der Habsburgermonarchie, an dem sich die mächtigen europäischen Staaten ebenso beteiligt haben wie aufstrebende Einzelspieler wie Wallenstein.

Schmidt unterteilt seine Darstellung in drei große Abschnitte. Nach einem kurzen Prolog über die Geschichtsschreibung zum Dreißigjährigen Krieg und die vom Aberglauben bestimmte psychische Verfasstheit der Menschen zur Zeit des Krieges wird im Abschnitt „I. Spuren“ der Verunsicherung der Menschen beginnenden Neuzeit durch die humanistische Öffnung des Denkens und den reformatorischen Umbruch im Glauben nachgegangen. Bereits im 16. Jahrhundert wird der Gegensatz zwischen monarchischem Anspruch und dem Anspruch auf Mitspracherecht der Reichsstände virulent. Dabei einte die Türkenbedrohung Katholiken und Protestanten gegen einen gemeinsamen Feind.

Als wichtige Veränderungen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges werden die zunehmende Konfessionalisierung sowie die daraus resultierenden Bürgerkriege in den Niederlanden oder in Frankreich, eine wachsende soziale Ungleichheit und der aufkommende Hexenwahn beschrieben. Auf politischer Ebene spielt die Spaltung des Reichs in Mitglieder der protestantischen Union und der katholischen Liga, der Bruderzwist im Hause Habsburg und das europäische Staatengefüge dieser Zeit eine zentrale Bedeutung für den Ausbruch des Krieges.

Der umfangreichste Abschnitt „II. Dreißig Jahre“ schildert die politischen und militärischen Ereignisse zwischen dem Anfang des Krieges im Mai 1618 und dem Ende des Krieges im Westfälischen Frieden im Sommer/Herbst 1648. Am Beginn steht die Eskalation des Krieges, wo sich ein regionaler Konflikt in Böhmen, zwischen den böhmischen Ständen, Kurfürst Friederich von der Pfalz und Kaiser Ferdinand II. auf das gesamte Reich, bis an den Rhein und in den Norden ausbreitet. Ein eigenes Kapitel über Wallenstein zeigt auf, wie die neue Form des Söldnerkrieges funktionierte und wie der Feldherr zum erfolgreichsten Kriegsunternehmer seiner Zeit werden konnte.

Die weiteren Kapitel weiteren Kapitel wenden sich den einzelnen Schauplätzen der Auseinandersetzungen zu. Zunächst vom Siegeszug Wallensteins und der dänischen Niederlage in Norddeutschland bis zur Entlassung Wallensteins und dem Siegeszug des schwedischen Königs Gustav Adolf. Auch nach dem Tod Gustav Adolfs und der Ermordung Wallensteins geht der Krieg trotz des Friedensversuchs von Prag weiter und wird die Schweden 1645 sogar bis vor Wien führen. Es sollen noch drei Jahre vergehen, bis die allgemeinen Kräfte vom Krieg ausgezehrt endlich zu einem Friedensschluss bereit sind.

Der dritte Abschnitt „Der Frieden“ zieht schließlich eine Bilanz des Krieges und setzt sich mit den Problemen des Friedensschlusses auseinander. Neben den Verhandlungen über die Ziele, die Kongressorte kommen die Delegierten, das Zeremoniell und die Entschädigungen ebenso zur Sprache, wie die Verzögerungen des Vertrags durch ständig parallel verlaufende Kriege und Gefechte. Die letzten Kapitel setzten sich mit der Bewältigung des Krieges in der Gesellschaft auseinander, deren Auswirkungen bis in 18. Jahrhundert sichtbar bleiben werden.

Georg Schmidt überzeugt durch sein fundiertes Fachwissen und seine klar strukturierte und verständliche Darstellung eines überaus komplexen Themas. Neben den politischen und militärischen Ereignissen werden auch die religiösen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergründe verständlich und nachvollziehbar aufgezeigt.

Dabei kommt der Instrumentalisierung von Religion und dem Verweis auf Gottes Wille und die gerechte Sache sowie dem Versuch des Kaisers seine Macht absolutistisch auszudehnen eine wesentliche Rolle als Antrieb zum Krieg zu. Eine überaus empfehlenswerte Monographie zum Dreißigjährigen Krieg, die sich als ebenso erhellend wie informativ erweist und allen historisch interessierten Leserinnen und Lesern gerne weiterempfohlen werden kann.

Georg Schmidt, Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, mit 44 Abbildungen und 3 Karten
München: C. H. Beck Verlag 2018, 810 Seiten, 32,90 €, ISBN 978-3-406-71836-6


Weiterführende Links:
C. H. Beck Verlag: Georg Schmidt, Die Reiter der Apokalypse
Wikipedia: Georg Schmidt

 

Andreas Markt-Huter, 21-02-2019

 

Bibliographie

AutorIn

Georg Schmidt

Buchtitel

Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

810

Preis in EUR

32,90

ISBN

978-3-406-71836-6

Kurzbiographie AutorIn

Georg Schmidt wurde in Alsfeld in Hessen geboren und ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Sozial- und Verfassungsgeschichte Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in der frühen Neuzeit. Er gilt als einer der angesehensten Experten für die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges.