Paul Theroux, Ein letztes Mal in Afrika

paul theroux, ein letzes mal in afrikaIn der Reiseliteratur kennen wir im Extrem bunte touristische Anmachen und Kriegsberichterstattung. Unter die Haut fährt uns freilich das Mittelding, eine Überlandreise auf einem Pulverfass, eine Erklärung für den nächsten Krieg.

Paul Theroux gilt als der Reiseschriftsteller der westlichen Welt. Er hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur so gut wie alle Kontinente bereist, er liest auch andere Literatur über jene Länder, die er bereist, und macht sich bei jedem Bild Gedanken darüber, welcher Perspektive seine Darstellung Macht verleiht. In seinen Schreibwerkstätten und Referaten, die er oft in diesen Ländern hält, empfiehlt er den jungen Dichtern, sich weniger mit Gedichten wegzudröhnen, sondern vielmehr mit offenen Augen zu beschreiben und zu erzählen. Immer wieder weist er auf die Wichtigkeit „trivialer Beobachtungen“ hin. (300)

Der Band über Afrika ist von Melancholie getragen. Der Ich-Erzähler schwebt nicht mehr wie früher ein unverwundbarer Gott, der über dem Gebiet kreist, sondern ist müde geworden und kann sich erstmals vorstellen, bei einer Reise auch zu sterben.

Nach zehn Jahren sieht er wieder die Ränder von Südafrika, Namibia und Angola. Die Hoffnung von damals ist einer Lethargie gewichen, die jederzeit in Aggression umschlagen kann. In Südafrika sind die Townships salonfähig geworden, man hat das Elend sozusagen ausgepflastert und betoniert. In Namibia hält man für potentielle Touristen ein deutschgeprägtes, sauberes Fassaden-Windhoek aufrecht, dahinter freilich brodelt es. Und in Angola sind so gut wie alle Wildtiere durch den Bürgerkrieg ausgerottet.

Diese Länder sind naturgemäß Erben der Kolonialkultur. Dabei stößt die Sturheit der Buren gleichberechtigt auf die Sauberkeit der Deutschen und den katholischen Analphabetismus der Portugiesen, aber alle drei Fehl-Tugenden sind oft auch zur Ausrede verkommen. Die Szenen herumlungernder und perspektivloser Jugendlichen ist überall gleich. Ganze Generationen werden in diesen Ländern außen vorgelassen

Ganz schlimm ist es in Angola, wo Chinesen der herrschenden Klasse die Häuser bauen, während die eigene Jugend mit zunehmendem Hass am Straßenrand sitzt und wohl ans Auswandern nach Europa denkt. So ist denn auch im angolanischen Roman „die enttäuschte Erwartung“ das Hauptthema, das sich aus kruden Vorstellungen von Geistern, Drogen und Genital-Beschneidungen herauskristallisiert.

Irgendwann verliert sich der Autor in Sinnlosigkeit. Ab hier macht es keinen Sinn mehr, in den Kongo weiterzureisen, man sieht bereits hier das Ende der Welt. Und Paul Theroux verwendet eine dramatische Schlussformel über Angola.

So wird die Welt aussehen, wenn sie untergeht. (377)

Paul Theroux, Ein letztes Mal in Afrika. A. d. Amerikan. von Sigrid Schmid und Reiner Pfleiderer [Orig. Titel: The Last Train to Zona Verde. Overland from Cape Town to Angola, New York 2013]
Hamburg: Hoffmann & Campe Verlag 2017, 414 Seiten, 26,80 €, ISBN 978-3-455-40526-2

 

Weiterführende Links:
Hoffmann & Campe Verlag: Paul Theroux, Ein letztes Mal in Afrika
Wikipedia: Paul Theroux

 

Helmuth Schönauer, 01-08-2017

Bibliographie

AutorIn

Paul Theroux

Buchtitel

Ein letztes Mal in Afrika

Originaltitel

The Last Train to Zona Verde. Overland from Cape Town to Angola

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Hoffmann und Campe

Übersetzung

Sigrid Schmid / Reiner Pfleiderer

Seitenzahl

414

Preis in EUR

26,80

ISBN

978-3-455-40526-2

Kurzbiographie AutorIn

Paul Theroux, geb. 1941 in Medford / Massachusetts, lebt auf Hawaii.