Gernot Werner Gruber, Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi

gernot werner gruber, bruder luhWenn man sogenannte Helden aus ihrer angestammten Zeit nimmt, werden sie oft milde bis lächerlich. Auf jeden Fall aber halten sie der jeweiligen Gegenwart einen trüben Spiegel vors zeitgenössische Antlitz.

Gernot Werner Gruber belebt mit seiner „Reanimo“-Trilogie den Ötzi. Indem er diesen in der Gegenwart auftauchen lässt, entlarvt er auch den aktuellen Ötzi-Kult. So wie man in einen Kult an jeder Stelle einsteigen kann, kann man es auch in der Ötzi-Trilogie. Das Personal nämlich bleibt überschaubar.

Einmal haben sich der wiedererweckte Ötzi und ein künstlerisch veranlagter Stadtpolizist aus Bozen zusammengeschlossen, sie treten als Bruder Luh und Charly Weger auf. Zum anderen reisen der skurrile Molekularbiologe Dimitri und sein Südtiroler Pendant, der Ötzi-Pathologe, auf der Suche nach den beiden um die halbe Welt. Zusammengehalten wird diese fugitive Konstellation von einer jammernden Museums-Direktorin, die in ihrem Ötzi Museum den Ötzi verloren und durch ein Double ersetzt hat.

Im zweiten Abenteuer sind Weger und Luh schon ein halbes Jahr in einem Kloster, um zur Ruhe zu finden und alles aufzuschreiben, was für die Nachwelt von Bedeutung ist. So erfahren wir auch den Inhalt des ersten Bandes und können ruhig weiterlesen, als sich vom anderen Ende der Welt Dimitri und der Pathologe melden. Sie sind auf einer tropischen Insel zwischengelandet und versuchen die Urwurzeln der Menschheit zu analysieren, indem sie die Sprache der Einheimischen missverstehen.

Während die insulare Welt durchaus Züge von Südtirol entwickelt, entpuppt sich das Kloster als Imitat von tibetanischen Gebetseinrichtungen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu Reinhold Messner, der im eigenen Land mittlerweile als Guru verehrt wird wie früher als Yeti-Verschnitt in Tibet.

Das pathologische Duo kehrt nach Europa zurück, indem es die wahnwitzigsten Anreise-Touren wählt. Getarnt im Strom der Flüchtlingsroute reist es in einem Gemüse-Drogen-Transport aus Albanien ein, die beiden sind baff erstaunt, als der Schmuggler gleich einmal ins Puff muss, um alle Geschäfte zu erledigen.

Ötzi wird mittlerweile zur Kultfigur der Esoterik und Transzendenz-Szene, an manchen Tagen fliegen ihm die Herzen dermaßen heftig zu, dass er gefährlich zu schmelzen droht.

Gernot Werner Gruber gelingt es mit seiner archaischen Ötzi-Fiktion, die Gegenwart auf kultische Skurrilitäten zurückzuführen, wie wir sie letztlich aus Ausgrabungen und Rekonstruktionen kennen. Die Südtiroler benehmen sich dabei so, als müssten sie nicht nur in einem amüsanten Werbefilm auftreten, sondern sie arrangieren den Alltag bereits so, dass man ihn mühelos in einem Museum auslegen könnte. Und die Heilsbotschaft ist ja auch bemerkenswert, der Eingefrorene verlässt sein Schaulager, taut auf und weilt mitten unter den Menschen. – Mit etwas Glück könnte aus Ötzi noch eine Religion werden.

Gernot Werner Gruber, Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi. Roman. Band 2 der Trilogie - Reanimo.
Bozen: Edition Raetia 2018, 197 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-88-7283-620-0

 

Weiterführende Links:
Edition Raetia: Gernot Werner Gruber, Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi
Homepage: Gernot Werner Gruber

 

Helmuth Schönauer, 27-04-2018

Bibliographie

AutorIn

Gernot Werner Gruber

Buchtitel

Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Edition Raetia

Reihe

Reanimo, Band 2 der Trilogie

Seitenzahl

197

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-88-7283-620-0

Kurzbiographie AutorIn

Gernot Werner Gruber, geb. 1969 in Meran, lebt im Passeiertal.