Constantin Schreiber, Kinder des Koran

constantin schreiber, kinder des koran„»Schulbücher spiegeln den Stand einer Gesellschaft, auf dem sie sich aktuell befindet«, sagt die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Susanne Lin-Klitzing. Wer also wissen will, wo sich muslimische Gesellschaften in Sachen Freiheiten, Grundhaltungen und Werten heute befinden, der sollt sich ansehen, was der jungen Generation dort beigebracht wird. Genau das, habe ich mir mit diesem Buch vorgenommen.“ (S. 7)

Der ARD-Fernsehjournalist Constantin Schreiber untersucht unter Mithilfe zahlreicher Experten Schulbücher aus fünf muslimischen Ländern und gibt damit einen Einblick in eine unbekannte Gesellschaft mit einem vielfach anderen Blick und Verständnis für die Welt der Gegenwart.

Anhand von Schulbüchern der unterschiedlichsten Schulfächer aus Afghanistan, dem Iran, aus Ägypten, Palästina und der Türkei analysiert Constantin Schreiber die mehr oder weniger versteckten Botschaften und Werthaltungen, welche die Texte vermitteln. Es geht dabei um das Verhältnis der Muslime zu Ungläubigen, um die Rolle der Frauen, um das Verhältnis zum Judentum und Israel sowie zum Westen und der westlichen Lebensweise.

Zu Beginn eines jeden Kapitels wird das politische und gesellschaftliche Umfeld eines jeden Landes kurz erläutert und anschließend das Schulbuch vorgestellt. Dabei werden die größten inhaltlichen Auffälligkeiten des behandelten Schulbuchs bereits vorweg angesprochen, in denen ideologisch fragwürdige Darstellungen zur Sprache kommen. In einem afghanischen Religionsbuch fällt besonders auf, dass die Erhabenheit der Muslime gegenüber den „Ungläubigen“ immer wieder ganz besonders hervorgehoben wird. Nach der kurzen Einleitung kommt das Schulbuch mit ausgewählten Textauszügen selbst zur Sprache. In einer anschließenden Besprechung mit Pädagogen, Soziologen und Islamexperten, werden die jeweiligen Texte analysiert und ihre pädagogische Wirkung auf Schülerinnen und Schüler eingeordnet.

Während in allen Schulbüchern der Islam eine zentrale Rolle spielt, unterscheidet sich die Art und Weise, wie offen oder unterschwellig ideologische Inhalte vermittelt werden, doch erheblich. Während das afghanische Religionsbuch ganz offen religiöse Unterwerfung propagiert, erscheinen nationalistische Töne und Manipulationen beispielsweise in türkischen Schulbüchern viel versteckter und unauffälliger.

Grundsätzlich kommt der Autor zur Erkenntnis, dass die jeweiligen Schulbücher

auf unheilvolle Art die jeweils problematischen Tendenzen verstärken, die es in den einzelnen Ländern gibt. (S. 269)

Dazu gehören der ausgeprägte Nationalismus in der Türkei und in Ägypten, der Hass auf Israel in Palästina und in Afghanistan die extrem ausgeprägte konservativ islamische Gesellschaftsordnung. Vor allem in den Schulbüchern des Iran, Palästinas und Afghanistans werden die Muslime als weltweite Gemeinschaft dargestellt, denen eine gemeinsamer Feind gegenübersteht.

Constantin Schreibers „Kinder des Koran“ gibt einen aufschlussreichen exemplarischen Blick in die Pädagogik der islamischen Welt frei, der viele Probleme freilegt, die im Aufeinandertreffen zwischen westlicher und islamischer Welt aufbrechen. Vor allem die emotionale Vermittlung bedenklicher Inhalte in den Schulbüchern, macht eine kritische Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene überaus schwierig.

Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das die Denk- und Lebenswelt islamischer Schulerziehung aufzeigt, die manche Unstimmigkeiten zu westlichen Vorstellungen erst verständlich machen.

Constantin Schreiber, Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen
Berlin: Econ Verlag 2019, 304 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-430-20250-3

 

Weiterführende Links:
Econ Verlag: Constantin Schreiber, Kinder des Koran
Wikipedia: Constantin Schreiber

 

Andreas Markt-Huter, 01-07-2020

Bibliographie

AutorIn

Constantin Schreiber

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Econ Verlag

Herausgeber

Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen

Seitenzahl

304

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-430-20250-3

Kurzbiographie AutorIn

Constantin Schreiber arbeitete nach Abschluss seines Jura-Studiums mehrere Jahre als Reporter in Beirut und Dubai und moderiert heute die „Tagesschau“ und das ARD „Nachtmagazin“. Er spricht fließend Arabisch und setzt sich mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung für interkulturellen Austausch im In- und Ausland ein.