Oliver Jeffers, Die Fabel von Fausto
„Einst lebte ein Mann, der glaubte, ihm gehöre alles. Und er ging hinaus ich die Welt, um sich anzusehen, was seins war. »Du gehörst mir«, sagte Fausto zu der Blume. »Ja«, sagte die Blume. »Ich gehöre dir.« Zufrieden lief Fausto weiter.“
„Die Fabel von Fausto“ erzählt die märchenhafte Geschichte eines Mannes, der davon überzeugt war, alles besitzen zu können. Er wandelt durch die Welt, um alles, was ihm begegnet in Besitz zu nehmen.
Gleich zu Beginn wird den jungen Leserinnen und Lesern Fausto vorgestellt, ein Mann mit Schnurbart, stolzgeschwellter Brust und erhobenem Kinn, das keinen Widerspruch duldet und der davon überzeugt ist, dass alles ihm gehört. Um sich selbst davon zu überzeugen, geht er in die Welt hinaus, um sich alles anzueignen.
Zunächst trifft er auf eine kleine Blume und ein Schaf, die sich widerstandslos in Besitz nehmen lassen, was Faustos Selbstbewusstsein zusätzlich stärkt. Auch der Baum wechselt in seinen Besitz über, schon mit weniger Begeisterung, dafür aber einer tiefen Verbeugung.
„Also gut, dann gehöre ich dir.“
Fausto wandert weiter zum See, der sich zunächst gar nicht besitzen lassen will. Fausto muss erstmals seine Macht in Anspruch nehmen und dem See zornig zeigen, „wer hier das Sagen hat.“
Als der Mann, noch stolzer als zuvor, den Berg erreicht, wird er von diesem mit einem „Nein“ zurückgewiesen. Der Berg betrachtet sich als seinen eigenen Herrn, was Fausto unglaublich wütend macht und bedrohlich mit dem Fuß stampfen und seine Faust ballen lässt. Der Berg rührt sich nicht vom Fleck und Fausto bekommt einen weiteren Wutausbruch „wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte“. Das ist selbst dem mächtigen Berg zuviel und er gibt klein bei.
So von sich selbst überzeugt, begibt sich Fausto auf ein Boot, um zu guter Letzt auch vom Meer Besitz zu ergreifen.
Reduziert auf ganz kurze Aussagesätze und nicht weniger reduzierte Illustrationen treibt Oliver Jeffers die Geschichte von Fausto, der glaubt alles besitzen zu können und zu müssen geradlinig voran. Die jungen Leserinnen und Leser ahnen immer klarer, dass auch Fausto irgendwann seine Grenzen überschreiten und untergehen wird und verfolgen mit angespannter Erwartung den weiteren Verlauf der Handlung bis zum philosophischen Ende.
Ein fesselndes und empfehlenswertes Kinderbuch, in der überaus stringent die Idee verfolgt wird, dass Reichtum nicht zufrieden macht. Die erzählerische und bildliche Umsetzung beeindruckt in ihrer Reduktion verspricht ein intensives gemeinsames Leseerlebnis für Jung und Alt.
Oliver Jeffers, Die Fabel von Fausto. Ill. v. Oliver Jeffers, übers. v. Anna Schaub [Orig. Titel: The Fate of Fausto], ab 5 Jahren
Zürich: Nord Süd Verlag 2020, 96 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-314-10523-4
Weiterführende Links:
Nord Süd Verlag: Oliver Jeffers, Die Fabel von Fausto
Wikipedia: Oliver Jeffers (engl.)
Andreas Markt-Huter, 29-09-2020