Selma Mahlknecht, rosa leben
Diese unheimliche Farbe rosa! In den Romanen "Fasching" (1967) und "Katzenmusik" (Nachlass, 1974) des österreichischen Autor-Bibliothekars Gerhard Fritsch werden Sexualität, Politik und irreale Aufklärung in rosarotes Krepp-Papier gewickelt, während die Protagonisten rosa Punschkrapfen essen. Seither ist rosa eine literarische Farbe für das Klebrige, Zähe, Österreichische.
In Selma Mahlknechts Titelerzählung ?rosa leben? zieht sich dieses eklige Diffusum von der Kindheit an durch das recht kurze Leben eines Drogengirls, das in einem Loch am Rande der Gesellschaft haust. ?Zuerst ist nur diese vage Form vom Da-Sein.? Diese einfache und genaue Beschreibung des Lebens zieht sich durch die prägnant heftige Biographie der Heldin.
Die Tanten der Kindheit, die Tussen der Fürsorge und schließlich die Männer tauchen alle aus der rosa Korona dieses Daseins auf und wollen, dass alles rosa wird. Zwischendurch geht es handfest um Leben und Tod, als etwa die Kollegin eine Notgeburt im Untergrund gerade noch übersteht aber dann doch offensichtlich ermordet aufgefunden wird.
Das Da-Sein kennt keine Höhepunkte und Tiefschläge, es ist ein brutal intensiver Zustand, der höchstens in kurzen ?Besserungsphasen? unterbrochen und ironisiert wird. ?Kind war ich nie eins gewesen, wohl aber mal jung? (26), sagt die Zwanzigjährige mit einer zweihundertjährigen Müdigkeit im Buckel.
Mit dieser Erzählung hat Selma Mahlknecht eine intensive, rasante und völlig gegenwärtige Darstellung der aktuellen Gesellschaft gezeigt, die Heldin ist Fleisch von unserem Fleische und wohnt an jeder Peripherie jeder x-beliebigen Kleinstadt. Die übrigen drei Erzählungen sind, vorsichtig formuliert, sehr konventionell ausgefallen.
Nach dem Muster ?Tod eines Handlungsreisenden? verkauft ein Vertreter Spül- und Poliermittel. Mit sehr viel Moral kaufen frigide Ehepaare diese Dinger, um sich gegenseitig eins auszuwischen. Und der Handlungsreisende Bodemann darf auch einmal ? na was? ? glücklich sein. Ziemlich impotent verbringt er einen Abend stumm mit einer Kellnerin und schläft danach gut ein. Ja so sind die Männer, frigid und frustriert, und immer nur auf Spülmittel aus.
Ziemlich konventionell läuft auch das Schicksal eines Schauspielers ab. Wie alle Schauspieler hatte er einmal Großes vor, und jetzt tingelt er bei einem Sender öde Programme herunter, gute Stimme, aber schlechter Inhalt, daher auch der Titel ?Verstimmung?.
In einem inneren Monolog der trivialen Sorte überlegt schließlich eine Frau, wer sich im Zugabteil wo hin setzen könnte und warum. Trash pur! Ein schweres Schicksal. Erzählungen sind ja auch dazu da, einen möglichen Stoff anzureißen, auch wenn einen die Umsetzung dann nicht vom Sessel reißt. So gesehen hat Selma Mahlknecht einige Hocker passabel besetzt. ?rosa leben? freilich ist schwer ok, da sollte es weiter gehen.
Selma Mahlknecht, rosa leben. Prosa.
Bozen: Edition Raetia 2004. 124 Seiten. EUR 9,50. ISBN 88-7283-213-6.
Helmuth Schönauer, 29-09-2004