Christian Grataloup, Die Geschichte der Welt - Ein Atlas
„Die Grundidee dieses – auch international erfolgreichen Weltatlas ist es nicht, so viele historische Details wie möglich in eine Karte zu packen, sondern die großen Linien der Globalgeschichte von den Anfängen der Menschheit bis heute mit Hilfe von Karten zu veranschaulichen.“ (Umschlag)
Geschichtskarten stehen vor der großen Herausforderung, einzelne Regionen zu bestimmten Zeiträume präzise einzufangen und detailliert festzuhalten. Dabei erlaubt eine Karte kein vielleicht oder ungefähr, sondern nur die Genauigkeit einer Linie und festen Form. Der Zwang historische Annahmen, Entfernungen, Maßstäbe u.a. eindeutig festzuhalten, setzt ein besonders vielfältiges Expertenwissen und den kreativen Mut für Entscheidungen voraus.
Christian Gratoloup verfolgt mit seinem Geschichtsatlas das große Ziel, eine Geschichte der ganzen Welt zu erzählen, in der allen Zivilisationen den ihnen gebührenden Platz einnehmen. Mit der neuen Schwerpunktlegung soll die Wahrnehmung auf eine weltumfassende Geschichte der Zivilisation erweitert werden, um den Blick verstärkt auch auf jene Regionen zu lenken, die traditionell vernachlässigt werden.
Zunächst zeigt ein schematisierter Plan des Atlas die chronologische Strukturierung der dreizehn großen Kapitel nach Zeit und Raum auf. Das 1. Kapitel „Eine einzige Menschheit“ stellt die Anfänge der Menschheit und die Ausbreitung über die Kontinente der Erde ebenso dar, wie die Domestizierung von Pflanzen und Tieren in den verschiedenen Regionen.
Das zweite Kapitel „Weitgehend autonome Zivilisationen“ thematisiert die Entstehung von Kulturen in den verschiedenen Teilen der Welt, in Nordamerika, Südamerika, im pazifischen Raum, in Afrika oder im hohen Norden. Kapitel 3 „Vernetzungen der Alten Welt“ geht den Verbindungen zwischen verschiedenen Kulturen und Reichen vom Neolithikum bis zum 15. Jahrhundert nach, während Kapitel 4 „Gesellschaften der Alten Welt“ die Ursprünge von Gesellschaften und Kulturen in den verschiedenen Regionen von ihren Anfängen bis ins 7. Jahrhundert darstellt, was im 5. Kapitel vom 7. bis zum 15. Jahrhundert seine Fortsetzung findet und vor allem die Entwicklung der arabischen Reiche und mittelalterlichen Reiche Europas zeigt.
Kapitel 7 „Die Europäisierung der Welt“ stellt den zunehmenden Einfluss europäischer Politik und Kultur auf andere Regionen und Kontinente in den Mittelpunkt behandelt die europäischen Entdeckungen und beginnende Kolonialreiche im 16. bis zum 18. Jahrhundert. Kapitel 8 „Europa“ widmet sich der politischen und kulturellen Entwicklung in Europa im selben Zeitraum und Kapitel 9 „Die europäisch dominierte Welt“ legt die zunehmende Dominanz europäischer Kolonialmächte in den verschiedenen Regionen der Welt vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs dar. Aufgezeigt werden Entdeckungen, Migrationsströme, Industrialisierungswellen, koloniale Eroberungen.
Das 10. Kapitel „Die nichteuropäischen Mächte“ wendet sich den jeweiligen Regionen außerhalb Europas vom Ende des 18. bis zum 19. Jahrhundert zu. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Entwicklungen auf dem amerikanischen Kontinent. Kapitel 11 „Europa“ stellt den europäischen Geschichtsverlauf von der Französischen Revolution bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs vor. Da 12. Kapitel „Die Weltherrschaft des Westens“ umfasst den Zeitraum zwischen 1914 bis 1989, von den beiden Weltkriegen, der Teilung der Welt in Blöcke bis zum Ende des Kalten Krieges. Das abschließende 13. Kapitel „Die Welt seit 1989“ schließt den historischen Bogen von den geschichtlichen Anfängen der Menschheit bis in die Gegenwart, wobei die aktuellsten Themen der Gegenwart wie der Zusammenbruch der UdSSR, die Entstehung der EU, Kriege und Revolutionen, der Aufstieg Chinas oder die klimatischen Veränderungen angerissen werden.
Christian Grataloups „Die Geschichte der Welt - Ein Atlas“ weicht in vielen Bereichen vom gewohnten Kanon klassischer Geschichtsatlanten ab, indem er neue Schwerpunkte setzt und den zeitlich unterschiedlichen Entwicklungsbewegungen in den verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt gerecht zu werden versucht. Dabei wird nicht - wie üblich - die europäische Epochengliederung als Strukturraster zugrunde gelegt, sondern die Entwicklungsepochen der jeweils behandelten Regionen berücksichtigt. Auch richtet sich die mitunter ungewohnte Perspektive der jeweiligen Karten am darzustellenden Thema.
Der überaus anschauliche und informative Geschichtsatlas besticht durch detaillierte klare Karten und kurz prägnante Erläuterungen, vor allem aber durch seine neuen und spannenden Blickwinkel auf die Zeiten und Räume der Welt. Ein spannendes Leseabenteuer, das gewohnte Sehweisen aufzubrechen und zu erweitern vermag.
Christian Grataloup, Die Geschichte der Welt - Ein Atlas. Kartenillustration: Anaïs Moreau / Marie-Sophie Putfin / Kévin Richez / Justine Bergeron, übers. v. Martin Bayer / Katja Hald / Anja Lerz / Reiner Pfleiderer / Albrecht Schreiber [Orig. Titel: Atlas historique mondial]
München: C. H. Beck Verlag 2022, S. 640, 42,30 €, ISBN 978-3-406-77345-7
Weiterführende Links:
München: C. H. Beck Verlag: Christian Grataloup, Die Geschichte der Welt - Ein Atlas
Wikipedia: Christian Grataloup (frz.)
Andreas Markt-Huter, 06-12-2022