Luise Maria Schöpf, Weiche Gitterstäbe

Buch-CoverDiese schleichenden Schicksalsschläge sind die heftigsten! Scheinbar können sich die Figuren frei bewegen, aber letzten Endes sitzen sie in ihren Käfigen wie in Gummizellen, und zwischendurch tut es nicht einmal weh.

Luise Maria Schöpf stellt ihrem Roman einen lakonischen Kommentar über die Freiheit voran. "Der Mensch muss sich den Gesetzen beugen, den Normen der Gesellschaft und der sozialen Struktur. Diese Gitterstäbe sind weich, biegsam, um durchzuschlüpfen, doch was bringt's? Der Mensch gerät mit dem Gesetz oder mit seiner Umwelt in Konflikt." Ha, und in diesem gigantischen Hamsterrad treten die Figuren nun zum Abstrampeln ihrer Biographien an.

Anna wird mit dem Kriegsende in Tirol erwachsen, alles geht drunter und drüber, unter dem Schutt der Kindheit tritt die Erwachsenenwelt zutage. Schleichend wie die neue Zeit tritt die Liebe ein, von der niemand weiß, wie sie ausschaut, und zagg, das Übliche. Anna ist schwanger, es gibt eine Ehe mit Alexander und die Katastrophe legt mit der Logik von Vorabendserien los.

Der Mann wird arbeitslos, schlägt sich als dilettantischer Drogenkurier durch Europa und fliegt gleich auf. Was bleibt sind Schulden, und noch ein Kind, weil es eh schon wurst ist. Am Schluss wirft sich der Mann in die Fremdenlegion und stirbt für sich allein einen anonymen Heldentod. Erzählt wird aus der Sicht von Anna, die den Verlauf des Lebens immer als Letzte erfährt. So schauen wir Leser oft kapitelweise zu, wie sich Anna gleichsam als kaputtes Insekt in ihrem Käfig herum plagt, während wir Leser ihr eigentlich den Franz-Kafka-Spruch zurufen möchten: Gibs auf!

Aber genau in dieser Wissensverzögerung liegt ja vermutlich der Sinn des Lebens. Bis wir erkennen, was mit uns los ist, ist es schon um uns geschehen und uns bleibt nur die Aufgabe, ein verlorenes Match bis zum Schlusspfiff zu Ende zu spielen. Während wir Leser verrückt dieser Anna zuschauen, schaut vielleicht jemand anderer uns beim Lesen zu, wie wir uns gefangen in den weichen Gitterstäben der Lektüre eingesperrter Figuren hingeben. Es handelt sich um den klassischen Fall einer Moebiusschleife, innen ist außen und nichts ist gewiss.

Luise Maria Schöpf erzählt eine geradezu herzzerreißend konsequente Geschichte, und wie bei einem kaputten Fahrradschlauch fragt sich der Leser durchgehend, wie viele Löcher hat das Schicksal, denn es pfeift gnadenlos und unbarmherzig aus den Seelen dieser Helden.

Luise Maria Schöpf, Weiche Gitterstäbe.
Horitschon: novum Verlag 2004. 216 Seiten. EUR 18,-. ISBN 3-902324-40-6.

 

Helmuth Schönauer, 06-01-2005

Bibliographie

AutorIn

Luise Maria Schöpf

Buchtitel

Weiche Gitterstäbe

Erscheinungsort

Horitschon

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

novum Verlag

Seitenzahl

216

Preis in EUR

EUR 18,-

ISBN

3-902324-40-6

Kurzbiographie AutorIn

Luise Maria Schöpf, geb. 1935 in Innsbruck, lebt in Sölden.