Julia Rosenkranz, Als Mama einmal unsichtbar war
„Hennie heißt eigentlich Henriette, aber so nennt sie keiner. Außer Tante Greta. Die gar nicht Hennies richtige Tante ist, sondern nur Mamas Freundin aus dem zweiten Stock. Und die immer eine schneeweiße Bluse anhat und Schuhe mit Absätzen. Klack, klack, klack machen die beim Laufen. Klack, klack, klack. Aber darum geht es gerade nicht. Nicht um Blusen oder Schuhe mit Absätzen. Um Mama geht es. Gerade alle Tage, immer.“
Julia Rosenkranz behandelt in ihrem Kinderbuch das Thema „Krebs“. Einfühlsam wird erzählt wie sich die Welt aus der Sicht eines Kindes verändert, wenn ein Elternteil mit der Diagnose Krebs konfrontiert ist.
Auf einem Spielplatz erfährt Hennie von ihrer Mama, dass sie krank ist. Sie erklärt ihr, dass sie Krebs hat und was das bedeutet. Spielerisch versuch das Mädchen zunächst das Krebsmonster zu bekämpfen, das mit seinen Riesenscheren Mama verschlingen will und alles verschwinden lässt.
Zunächst scheinen die Wörter zu verschwinden, vor allem bei denen die Mama helfen wollen. Alle scheinen stumm zu sein, selbst das Lachen ist verschwunden. Die Wörter der Menschen scheinen für Hennie in einem Wörterstau steckengeblieben zu sein.
Mama beendet ihre Arbeit und verschwindet im Krankenhaus, wo Hennie sie nicht besuchen darf. Wenn Mama sich nicht im Krankenhaus aufhält, muss Hennie feststellen, dass ihre Kraft verschwunden ist und sie sich ständig ausruhen muss.
Hennie erlebt, wie immer mehr von ihrer Mama zu verschwinden droht. Als nächstes verschwindet ihr Appetit, dann ihre Haare und schließlich Mama selbst, die sich für längere Zeit im Krankenhaus aufhalten muss. Hennie fühlt sich vollkommen alleingelassen und reagiert mit Wut und Zorn.
Mit viel Einfühlungsvermögen aber ohne Beschönigung zeigt Julia Rosenkranz, wie schwierig die Krebserkrankung eines Familienmitglieds auch von Kindern erlebt wird. Neben dem Problem die Krankheit selbst zu verstehen, werden die Veränderungen im familiären Umfeld und im Bekanntenkreis ebenso angesprochen wie die Ängste und die Unsicherheit über den Verlauf der Krankheit.
Ein überaus wichtiges und empfehlenswertes Kinderbuch, das ein schwieriges Thema kindergerecht aufbereitet und in einer klaren und dennoch einfühlsamen Sprache schmerzhafte Dinge benennt. Die liebevoll gestalteten Illustrationen vermitteln auf eindrucksvolle Weise die tiefen Emotionen und bieten den jungen Leserinnen und Lesern gezielte Orientierung.
Julia Rosenkranz, Als Mama einmal unsichtbar war. Ill. v. Nele Palmtag, ab 4 Jahren
Leipzig: Klett-Kinderbuch Verlag 2023, 32 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-95470-283-1
Weiterführende Links:
Klett-Kinderbuch Verlag: Julia Rosenkranz, Als Mama einmal unsichtbar war
Homepage: Nele Palmtag
Andreas Markt-Huter, 14-09-2023