Markus Köhle, Brahmskoller

Buch-Cover

Er heißt Brahms und sie heißt Koller, zusammen ergeben sie Brahmskoller, eine Geschichte in ein Wort verschweißt.

Markus Köhle erzählt in den vollen Bässen einer herkömmlichen Erzählhaltung und gleichzeitig in den Übertönen des Experiments. In der Praxis schaut das dann so aus, dass sich in der Grundgeschichte das Abenteuerliche, Gewöhnliche und überirdisch Triviale abspielt, und immer wieder fallen diese Textvorhänge ein und verschleiern das bisher Erzählte durch ein grell-geiles Muster einer Fundamentalimprovisation.

Gleich zu Beginn gibt es eine Bonusgeschichte, in welcher jemand irgendwo in St. Pölten eine Traumerfahrung mit einer Teekanne macht, im Zugsabteil einschläft und völlig unnütz in Basel ankommt. Die Geschichte ist real durchgeträumt und nichts ist passiert. Wenig später beginnt dann die so genannte echte Geschichte, in der letztlich auch nicht viel passiert, wie der Erzählkommentar in der Mitte des Buches feststellt.

Was bisher geschah: Wir verfolgten Brahms Weg in der Mitvergangenheit (Teil 1). Wir führten Koller gegenwärtig und vergangen (Teil 6) ein und konfrontierten beide miteinander. Wir ließen sie in geistige und verbale Abgründe eintauchen (Teil 2. 3), aber passiert ist bis dato nichts Nennenswertes. Die Komparserie war schnell präsentiert und partiell noch schneller abserviert (Teil 4). Zwei Ärsche beglücken sich fürderhin und befriedigen die Leserlust (Teil 7) Ein Ich steht neben sich und verurteilt alles Sonstige (Teil 5). So weit so gut und heiter das Wetter. (59)

So ein Spickzettel mitten im Text ist eine passable Hilfe für den Leser, ein gewisses Quantum Erkenntnis zu stapeln. Ah genau, die Figuren sind well durchkomponiert und in literarisch bester Verfassung. Sie haben zwar ein Schicksal, aber eigentlich bestehen sie aus Atmosphäre, und wie in der Liebe ist letztlich alles egal, wenn sie nur richtig zusammenkommen. Und die beiden kommen zusammen, richtig heftig, dass sogar ein Koller daraus wird, wie man oft von einem Lager- oder Beziehungskoller spricht.

In diesen fetzigen Bass der Erzählung sind die Vorhänge eingewirkt, mal als graphische Komponente, mal als Soundkapsel.

"Dorotheas Mördertitten treffen ihn frontal in Mitten" (57) heißt es in einem Schrottgedicht, das einen gewissen Raoul als mundfaul darstellt. In diesem Gedicht sind Graphik und Akustik gleichrangig ausgeprägt. Diese Textvorhänge sind so etwas wie der Eiserne Vorhang im Theater, einmal heruntergelassen sollen sie entweder die Ausbreitung von Bränden verhindern oder Brände zumindest in löschbare Brandabschnitte zerkleinern. Ja, das tun die Textvorhänge, sie unterbrechen immer wieder die Erzähllunte, die durch den ganzen Text glost.

Markus Köhles Brahmskoller ist eine wunderbar fetzige Erzählung, die wie ein raffinierter Test oft nichts anders im Sinn hat, als den Leser abzuschütteln, wieder aufzuklauben und mit Eigengelächter in den nächsten Abschnitt zu verschieben. Der Text gelingt nicht nur für den Eigengebrauch im Kopf des Lesers, er ist auch ein einziger Soundtrack zu einem laut vorgelesenen Film. Brahmskoller ist ein guter Koller, in dem man sich gerne aufhält.

Markus Köhle: Brahmskoller. Mit Textvorhängen.
Wien: edition ch 2004. 102 Seiten. EUR 9,-. ISBN 3-901015-29-9.

 

Helmuth Schönauer, 15-03-2005

Bibliographie

AutorIn

Markus Köhle

Buchtitel

Brahmskoller. Mit Textvorhängen.

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

edition ch

Seitenzahl

102

Preis in EUR

EUR 9,-

ISBN

3-901015-29-9

Kurzbiographie AutorIn

Markus Köhle, geb. 1975 in Nassereith, lebt in Innsbruck und Wien.