Ulf Poschardt, Shitbürgertum

Andreas Markt-Huter - 25.07.2025

Ulf Poschardt, Shitbürgertum„Warum dieses Buch mit diesem Titel? Das kann man polemisch verstehen. Oder aber als eine notwendige Diskursverschiebung, um mit unverstellter Respektlosigkeit zu signalisieren, dass ein Teil des Bürgertums den Respekt, der ihm entgegengebracht wird, zur Unterminierung freiheitlicher Grundlagen des Westens genutzt hat.“ (S. 7)

Poschardts polemische Bezeichnung „Shitbürger“ verbindet die Assoziationen der Begriffe „Schildbürger“ und „Spießbürger“ und bezeichnet Teile des Bürgertums, denen es gelungen sei, die Diskursmacht in den westlichen Gesellschaften der Gegenwart zu erringen. Ziel des Buches ist es, diese Vorherrschaft zu zerschlagen.

Das „Shitbürgertum“ wird im Kultur- und Medienbereich, in Kirchen und NGOs aber auch im vorpolitischen und in der Parteilandschaft verortet, wo sie mit moralischer Selbstgefälligkeit, meist mit Hilfe öffentlicher Gelder, den Alltag und das Leben der gemeinen Bürger ausrichten und regeln.

„Jeder erkennt den Shitbürger an seinem strengen Blick, den schmallippigen Gesten des Missfallens, dem ewig urteilenden Gestus der Überheblichkeit.“ (S. 9)

Die besondere Ausbildung des „Shitbürgertums“ in Deutschland geht auf die Verbrechen des NS-Regimes zurück, wobei aufgezeigt wird, wie bereits in den Anfängen des Kunstbereichs, die eigene NS-Vergangenheit abgeschüttelt wurde. So galt z.B. Günter Grass als „Lichtgestalt der Nachkriegsliteratur“ und moralische Instanz der Deutschen, bis seine verschwiegene Mitgliedschaft als Jugendlicher bei der Waffen-SS dieses Bild ankratzte.

Als Klischee haften die Verbrechen der NS-Zeit den Deutschen aber auch dem misstrauischen Blick von Außen an, der in Serien und Filmen an, wie z.B. Tarantinos „Inglourious Bastards“ zum Ausdruck kommt. Mit zahlreichen weiteren Ausflügen in die deutsche politische Geschichte und Kulturgeschichte werden die Entstehungswege des „Shitbürgertums“ nachgezeichnet, die aber erst mit Angela Merkel so richtig Fahrt aufgenommen habe. Mit dem zunehmenden Einfluss des Staates seien Freiheit, Selbstbestimmung und Wohlstand verloren gegangen.

Im Gegenzug konnten sich steuer- und gebührenfinanzierte akademische Milieus zu „Superagenten der Unfreiheit“ entwickeln, das sich zunehmend anmaßt wie ein Oberlehrer und Zuchtmeister für alle Lebenslagen vorzugeben, wie sich die Gesellschaft zu entwickeln hat.

„Shitbürgertum“ ist eine scharfzüngige Streitschrift, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Bewegungen kritisch einen Spiegel vorzuhält. Auch wenn Poschardt vor allem die Geschichte, Entwicklungen und Verhältnisse in Deutschland thematisiert, finden sich analoge Tendenzen in allen westlichen Gesellschaften. Um der Verbindung zwischen übertriebener Moral und destruktiven Machstrukturen entgegenzuwirken, sei eine scharfe und polemische Gesellschaftsanalyse notwendig, um eine Rückkehr zur individuellen Freiheit und ein Ende der gesellschaftlichen Selbstzerstörung einzuleiten.

Ulf Poschardt, Shitbürgertum
Neu-Isenburg: Westend Verlag 2025, 176 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-9879133-1-0

 

Weiterführende Links:
Westend Verlag: Ulf Poschardt, Shitbürgertum
Wikipedia: Ulf Poschardt

 

Andreas Markt-Huter, 16-06-2025

Bibliographie
Autor/Autorin:
Ulf Poschardt
Buchtitel:
Shitbürgertum
Erscheinungsort:
Neu-Isenburg
Erscheinungsjahr:
2025
Verlag:
Westend Verlag
Seitenzahl:
176
Preis in EUR:
22,70
ISBN:
978-3-9879133-1-0
Kurzbiographie Autor/Autorin:
Dr. Ulf Poschardt ist WELT-Chefredakteur und Buchautor. In Nürnberg geboren, studierte Poschardt zunächst Journalistik an der LMU München und der Deutschen Journalistenschule, anschließend dann Philosophie an der vom Jesuitenorden getragenen Hochschule für Philosophie München. Er war Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung, Creative Director bei der WELT AM SONNTAG, Chefredakteur der deutschen Vanity Fair – und seit 2016 ist Poschardt WELT-Chefredakteur.