Raimund Schulz, Welten im Aufbruch

Andreas Markt-Huter - 22.09.2025

Raimund Schulz, Welten im Aufbruch„Archäologische, philologische und historische Forschungen der letzten fünfzig Jahre zeichnen ein Bild der Antike, das sich nicht mehr mit dem liebgewonnenen Inselwissen westlicher Provenienz deckt […], sondern vertraute Ereignisse in viel größere Dimensionen einer eurasischen Geschichte einordnen muss. Das ist das Ziel dieses Buches. Es will die Antike als eine bedeutende historische Epoche beschreiben, die den gesamten eurasischen Kontinent als einen großen Interaktionsraum umfasste, und es will die Impulse herausarbeiten, die seine Geschichten antrieben, verbanden und bedeutsam machten.“ (S. 13)

Raimund Schulz betrachtet die Antike über die gewohnten Schwerpunktregionen Rom und Griechenland hinaus und erweitert den Untersuchungsgegenstand auf die globalen Beziehungen von der „Ostsee bis ins Chinesische Meer, von der nördlichen Taiga bis in die arabischen Wüsten“ (S. 13). Damit verbindet er die archäologischen, philologischen und historischen Forschungen der letzten fünfzig Jahre zu einem spannenden Gesamtbild, der die engen Verflechtungen und Interaktionen zwischen den weit entlegenen Reichen und Regionen der Antike bestechend herausarbeitet.

Aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Quellen und den unterschiedlichen politischen und kulturellen Entwicklungen der einzelnen Regionen wird auf eine durchgehende chronologische Erzählung verzichtet. Im Mittelpunkt der Darstellung steht es Kontakte und Verbindungen zwischen den verschiedenen Kulturen zu beschreiben und ihre Auswirkungen und Folgen aufzuzeigen. Dabei dürfen neben Phasen intensiverer Nähe und Veränderungen Phasen der Beharrung und Zurückgezogenheit in den verschiedenen Regionen nicht übersehen werden.

In fünf umfangreichen Kapiteln, werden die Kräfte näher beleuchtet, die den Kontakten, Beziehungen und Einflüssen zwischen den verschiedenen antiken Regionen zugrunde lagen. 

Kapitel „I. Menschen und Tiere in Bewegung“ betrachtet zunächst die verschiedenen Lebensformen von Sesshaftigkeit und Nomadentum, die je nach Situation wechseln können und nicht als unterschiedliche Übergangsstufen der Zivilisation zu bewerten sind. Dabei lassen sich Spuren von Steppenkriegern nachweisen, die von den Steppen des Ural bis nach Südasien führten und die von „jungen Helden“ geprägt wurden, die aus hierarchischen Gründen zur Flucht ins Abenteuer von Beutezügen getrieben wurden. Dabei entstanden zahlreiche feste Siedlungen und Herrschaftsgebiete in den verschiedensten Regionen.

Das 2. Kapitel „II. Geballte Energie – Der Aufstieg der Städte“ stellt die bedeutende Rolle städtischer Organisation für die kulturelle Entwicklung in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt bilden die mesopotamischen Stadtstaaten, beginnend mit der Stadt Uruk, die im Gilgamesch-Epos literarisch verewigt wurde. Anschließen wird die Entstehung weiterer städtischer Zentren in Mesopotamien, am Mittelmeer mit der Ausbreitung der Polis-Struktur, der keltischen Kultur Mitteleuropas und in Asien von Persien, Indien bis China behandelt und ihre Wechselbeziehungen aufgezeigt.

„III. Im Kreißsaal der Macht – Wie Imperien entstehen“ zeigt die Entstehung zahlreiche mächtiger Zentralstaaten in den verschiedenen Regionen auf, vom ägyptischen Reich der Pharaonen, über das Reich der Assyrer, dem Perserreich, aber auch in Indien und China.


„IV. Lockruf des Geldes – Wirtschaft und Handel in einer globalisierten Welt“ geht der Frage nach, wie die weiteren Entwicklungen großer Imperien von den Reichen der Assyrer, der Perser, den indischen Großreichen, dem Römischen Reich, den chinesischen Reichen der Qin und Han Dynastien und dem Steppenimperium der Xiongnu verlaufen sind und welche Rolle dem wirtschaftlichen Wachstum dabei zukam.

Das letzte Kapitel „V. Wege ins Glück – Religiöse und philosophische Weltdeutung bis ins 2. Jahrhundert n. Chr.“ geht der Rolle unterschiedlicher Religionen und philosophischer Weltanschauungen, ihrem überregionalen Austausch und gegenseitigem Einfluss auf die Glaubens- und Erfahrungswelt der Menschen nach. Zusammenfassend wird Bilanz gezogen und untersucht, was die antiken Welten zusammenhielt und die Menschen antrieb.

„Welten im Aufbruch“ bietet eine überaus fundierte und nicht weniger spannend aufbereitete Darstellung der unterschiedlichsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen, Beeinflussungen, Beziehungen und Kontakte der antiken Reiche von Europa bis Asien. Dabei werden die Anfänge der Kontakte von nomadischen Abenteurern bis hin zu den Beziehungen großer entwickelter Reiche systematisch in ihrem Entwicklungsverlauf dargestellt. Eine überaus lesenswerte und bedeutende Monographie, die das kulturelle Wechselspiel zwischen den unterschiedlichsten und entferntesten Lebensräumen der Antike ebenso verständlich wie kompetent zu charakterisieren weiß.

Raimund Schulz, Welten im Aufbruch. Eine Globalgeschichte der Antike, m. zahlr. Karten und farb. Abb.
Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2025, 496 Seiten, 39,10 €, ISBN 978-3-608-98803-1

 

Weiterführende Links:
Klett-Cotta Verlag: Welten im Aufbruch - Eine Globalgeschichte der Antike
Wikipedia: Raimund Schulz

 

Andreas Markt-Huter, 11-08-2025

Bibliographie
Autor/Autorin:
Raimund Schulz
Buchtitel:
Welten im Aufbruch - Eine Globalgeschichte der Antike
Erscheinungsort:
Stuttgart
Erscheinungsjahr:
2025
Verlag:
Klett-Cotta Verlag
Seitenzahl:
496
Preis in EUR:
39,10
ISBN:
978-3-608-98803-1
Kurzbiographie Autor/Autorin:
Raimund Schulz wurde in Hildesheim geboren und lehrt Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Seefahrt, Krieg, Herrschaft und Globalgeschichte in der Antike.