Arno Heinz, Sie stand da

Buch-Cover

Der Prosaband „Sie stand da“ gleicht beim ersten Durchblättern einer Sammlung von gleich großen Dingen, wie etwa Muscheln in der Vitrine liegen oder Nudelstücke im Nudelsieb.

Bleistiftzeichnungen unterbrechen in kompakten Schüben die Texte. Unter den Schraffuren der Zeichnungen sind immer Frauenköpfe, Frauenhirne, und Frauengedanken zu sehen, oft überlagert von halbausgezeichneten Ornamenten oder Strukturen einer Alltagsszenerie.

Die etwa dreißig Texte beginnen jeweils mit dem Stabilisierungs-Mantra: „Sie stand da.“ So, da steht sie also, eine Figur, eine Frau, eine Tugend im Sinne einer Allegorie. Dieser fundamentale Satz erinnert an die genauen Beschreibungen im „Roman nouveau“, worin die Dinge vor allem einmal da sind, ehe der Betrachter etwas mit ihnen anstellt. - Arno Heinz erweckt diese kleinen Statuen zu quickem Leben mit überraschenden Wendungen.

Wie in einem Nacht- und Nebel Krimi taucht im Gang des Schlafwagens eine Frau auf und löst eine geschmeidig-erotische Geschichte aus. In einer Alptraumgeschichte schlüpft die Figur aus sich selbst, fliegt auf das Matterhorn und zerschellt an der eigenen Nachttischlampe, der Arzt flickt sie zusammen.

Unter dem Titel Fortbildung taucht jäh die Fortbildung als Ganzes auf, freilich bedient sie sich dabei der Gestallt einer so genannten Seminar-Wanze, wie permanente Teilnehmer von Bildungsveranstaltungen süffisant genannt werden. Rosamunde macht ganz auf Romanze und stellt sich so lange unter das Geäst eines Baumes, bis die Vegetation den Jahreskreis abgeschlossen hat.

In Nocturno schließlich erblüht die Literaturgeschichte zu einem zarten Hauch von gewisperten Liedzeilen, welche ein komplettes Hinüberdämmern in den Schlaf auslösen und siehe, im Schlaf wartet bereits ein Wortgebilde von Goethe. Arno Heinz Miniaturen haben etwas von einem Perlenspiel an kulturellen Aufmerksamkeiten an sich.

Zitate, Beobachtungen und Traumansätze wachsen zu kleinen erzählten Blüten aus, haben mit dem Anfangssatz einen formidablen Stängel und vergehen nach zwei Seiten sachte in sich selbst, um nach dem Umblättern als Metamorphose des Erzählten neu aufzublühen. Bemerkenswert ist diese strenge Form des Kleinods, die Welt mag noch so groß und gewichtig sein, in der Miniatur wird sie vollständig leicht und vollkommen.

Arno Heinz, Sie stand da. Prosa. Mit zwanzig Zeichnungen.
Innsbruck: Haymon 2006. 93 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-85218-496-8

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Arno Heinz, Sie stand da

 

Helmuth Schönauer, 20-04-2006

Bibliographie

AutorIn

Arno Heinz

Buchtitel

Sie stand da

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Haymon

Illustration

Arno Heinz

Seitenzahl

93

Preis in EUR

EUR 15,90

ISBN

978-3-85218-496-8

Kurzbiographie AutorIn

Arno Heinz, geb. 1941 in Innsbruck, lebt als Architekt und Unesco-Experte in Paris.