Tirol

Hans Salcher, Vater

andreas.markt-huter - 18.09.2007

Buch-CoverDein Bild ist gemalt / wir bewundern es jeden Tag! – Bereits diese Präambel, die wie ein Grabstein vor die Erzählung gemeißelt ist, lässt erahnen, mit welcher Inbrunst hier ein Vaterbild an die Wand der Erinnerung gehängt wird.

Die strengen Züge des Vaters werden Absatz für Absatz entstrafft, bis allmählich ein gutmütiges, wohlwollenden und trauriges Erinnerungsbild übrig bleibt.

Martin Kolozs, Die Geschichte geht so

andreas.markt-huter - 10.09.2007

Erzählen heißt normalerweise, dass etwas in einem Zeitablauf von früher in einen Zeitablauf der Gegenwart gebracht wird. Wie bei einer Sanduhr gibt es ein Stoffdepot, das über die Engstelle in die Gegenwart rinnt.

Martin Kolozs Erzählung Die Geschichte geht so ist eine Erzählung über das Erzählen. Dabei wird so gut wie alles verrückt, die Spielregeln werden ununterbrochen verändert, Vergangenheit kann Zukunft sein, die Gegenwart ein Stoffuniversum an Gleichzeitigkeit.

Paul Flora, Wie's halt so kommt

andreas.markt-huter - 05.07.2007

Buch-Cover

Interessante Biographien haben entweder einen Lebensinhalt, der den Leser vom Sessel haut, oder eine Erzählweise, die jedes Publikum mit offenem Mund in den Bann zieht.

In Paul Floras Geburtstagsbiographie, der Jubilar wird 85, kommen beide Elemente einer gelungenen Biographie zum Tragen. Felizitas von Schönborn hat aus Gesprächen, Aufsätzen und Notizen einen Abenteuerroman eines Künstlers zusammengestellt, und Paul Flora, der Meister der verschmitzten Untertreibung, hat große Sachen bescheiden, und kleine Anekdoten süffisant unterdimensioniert zum Besten gegeben.

Reinhard Kocznar, Ein unerwarteter Besuch

andreas.markt-huter - 28.05.2007

Buch-CoverDiese kleinen Filialleiter, die immer wieder auf der Kriminalseite der Tagespresse auftauchen, sind die Idealen Helden, um große Systeme zu sprengen. Angetrieben von der Geilheit des Geldes sind sie so gut wie zu jedem Verbrechen fähig und immer wieder haben sie die Moral auf ihrer Seite, denn sie haben ja nichts anderes im Sinn, als ein freches unmenschliches System ordentlich auszureizen.

Robert Prokop ist Leiter einer lokalen Versicherung, die irgendwie heimlich an eine größere Gesellschaft verkauft werden soll. Um diesen Verkauf etwas spannender und schwieriger zu gestalten, wagt sich der Direktor in virtuelle Gefilde vor, die sich bald nicht mehr steuern lassen. Zufällig und vage zapft er ein südamerikanisches Gangsternetz an und gerät in die Fänge der internationalen Kriminalität.

Markus Köhle, Riesenradschlag

andreas.markt-huter - 20.05.2007

Buch-CoverAuf der ganzen Welt kennt man dieses Riesenrad, das bei günstiger Optik genau hinter dem Stefansdom aufgestellt ist, während in der Tiefe dieser Installation vielleicht ein Fiakerpferd im rosaroten Mannerschnitten-Look furzt.

Der Tiroler Sprachartist Markus Köhle ist ohne Frust nach Wien übersiedelt und liebt uns Hinterbliebene, indem er uns manchmal Briefe schickt, ein Mittelding zwischen Artistik und Ratgeber.

Elias Schneitter, Augenblicke einer Biographie

andreas.markt-huter - 19.05.2007

Buch-CoverNicht umsonst hat diese wundersame Biographie einer literarischen Nichterscheinung der Mosaikkünstler Hans Pfefferle illustriert. Das einzelne Mosaiksteinchen nämlich ist ein Augenblick aus Stein, völlig unscheinbar und alltäglich.

Gewöhnliche Alltagskörner sammelt auch Elias Schneitter für seine Augenblicke zusammen, die dann insgesamt so etwas wie eine Biographie ergeben. Der im Titel zitierte Schriftsteller Giorgio Voghera gilt als der große verschollene Schriftsteller Triests, der so gut wie seine ganze Lebensenergie damit zugebracht hat, seine eigene Biographie hinter seinem großen Roman Das Geheimnis zu verstecken.

Oswald Stimpfl, Landgasthöfe in Südtirol

andreas.markt-huter - 15.04.2007

Buch-CoverManche Ausdrücke bringen die Zunge durch bloßes Aussprechen zum Schmelzen. „Landgasthof“ ist so ein sympathischer Begriff, bei dem man sofort an Wärme, Kindheit, Sonntag, Limo und Speckjause erinnert ist.

Ein Land nach Landgasthöfen abzugrasen, ist also eine durchaus erfreuliche kulturelle Tätigkeit, und Oswald Stimpfls Reisebegleitung ist dabei eine amüsante und informative Unterstützung.

Manfred Schullian, Die Essenz der getrockneten Tomate

andreas.markt-huter - 15.04.2007

Buch-CoverOffensichtlich gibt es eine Literatur, die nicht für unkompliziertes Lesen gedacht ist. Der Reiz dieser Geschichten besteht oft darin, wie bei einem Rodeo-Ritt möglichst lange im Sattel zu bleiben, ehe man verlässlich abgeworfen wird.

Manfred Schullian fordert in seinen drei Erzählungen vom Leser eine gewisse Geduld. Fast jeder Satz wird ausgewalzt, bis auch der letzte denkbare Begriff darin untergebracht ist. Immer wieder hört man den Rechtsanwalt aus diesen Texten, unendliche Plädoyers für einen Helden, dessen juristische Vertretung der Autor übernommen hat.

Martin Kolozs, Mein Herz schlägt für dich mich ko

andreas.markt-huter - 11.04.2007

Während sich Münchhausen angeblich mit dem eigenen Zopf aus dem Sumpf gezogen hat, zieht sich in Martin Kolozs Gedichtband das lyrische Ich mit dem Liebeszopf in den Sumpf der Gefühle hinein.

Schon der Titel, der im Bandinneren auch als aphoristisches Einzelgedicht ausgeführt ist, zeigt diese dramatische Verbindung zwischen dem Alles oder Nichts, der Gewöhnlichkeit und der Ungeheuerlichkeit, der physiologischen Normalfrequenz und dem Desaster.

Gerhard Ruiss / Oswald von Wolkenstein, Und wenn ich nun noch länger schwieg'

andreas.markt-huter - 10.04.2007

Buch-CoverDen Sinn des gesamten literarischen Universums in einen einzigen Zweizeiler zu bringen, ist wahrscheinlich die größte Kunst, die einem Dichter gelingen kann. Bei Oswald von Wolkenstein heißt die Zusammenfassung ziemlich einprägsam: „Und wenn ich nun noch länger schwieg’ / wär’s dass ich bald vergessen blieb.“ (146)

Der große Tiroler Abenteurer und Altmeister der Literatur kommt nach sechshundert Jahren auf den Prüfstand des Lyrikers, Sängers und Literaturabenteurers Gerhard Ruiss. Dieser spannt das Original ganz behutsam ein, dreht und wendet es, bringt es zum Klingen und zur vollsten Überraschung für den Leser entsteht eine federnde, anschmiegsame Lyrik, wie sie frischer und wilder nicht sein könnte.