Belletristik und Sachbücher

Ingram Hartinger, Das verschmutzte Denken

h.schoenauer - 06.03.2015

Das Saxophon lässt auch bei offenen Augen alles in ein blaues Licht verschwinden, der Blues legt sich auf die Seele, die Landschaft schliert sich ein in herbstliche Töne, das Denken befreit sich von den irdischen Klammern angesichts der Saxophonie.

Ingram Hartinger nennt seinen „Roman“ von einem mühsam abgearbeiteten Leben als Psychomaschinist eine Saxophonie. Sein Held Joris Ebner will auf keinen Fall einen Roman und schon gar nicht sogenannte Memoiren schreiben, „indem er Unwichtiges nicht ausließ, gelang es ihm, keine Autobiographie zu schreiben.“ (247)

Egyd Gstättner, Am Fuß des Wörthersees

h.schoenauer - 04.03.2015

Wenn der semantische Blödsinn schroff genug ist, wird es als etwas Selbstverständliches empfunden. Floskel-reiche Lokalgrößen in Kärnten sprechen seit Jahrzehnten vom Fuße des Wörthersees, wenn sie an seinem Ufer stehen, so dass diese Fügung mittlerweile für besonders authentisches Kärntnerisch gehalten wird.

Egyd Gstättner nennt seine Essays, Reportagen und Analysen schlicht Nachrichten aus der Provinz. Dabei muss er immer Zweifaches erzählen, nämlich den sogenannten trostlosen Inhalt eines stumpfen Ereignisses und zusätzlich den selbst-legitimierenden Erzähl-Standpunkt als Antwort auf den Vorwurf, dass er ja nie aus Klagenfurt weggegangen ist.

Georgi Gospodinov, Physik der Schwermut

h.schoenauer - 02.03.2015

Vielleicht sind Gemütszustände wie sonnig, traurig, wolkig, echauffiert oder schläfrig nichts anderes als Reaktionen auf die physikalische Umgebung, vielleicht sind wir nur ein Messgerät, das etwas misst, was uns nicht bekannt ist.

Georgi Gospodinov nennt seinen feinnervigen Roman über die Empfindsamkeit der Figuren, die durch das Jahrhundert getrieben werden, Physik der Schwermut. Wenn man schon nicht erklären kann, warum die Ereignisse so geschehen sind, sollte man wenigstens beschreiben, wie die davon Berührten darauf reagieren.

Zsuzsanna Gahse, Die Erbschaft

h.schoenauer - 27.02.2015

Was laut Definition kurz und einleuchtend sein soll, ist in der Praxis oft langwierig und mühsam, nämlich der Witz.

Unter dem unauffälligen Titel „Die Erbschaft“ lässt sich Zsuzsanna Gahse auf kurzen Seiten über den Witz aus. Dabei installiert sie Situationen, in denen man „einen erzählen“ kann, stellt Figuren vor, die besonders Witz-affin sind, und streut schließlich unauffällig Witze in die Erzählung.

Sepp Mall, Schläft ein Lied

h.schoenauer - 25.02.2015

Was bleibt an Nachbildern, wenn man schnell die Augen vor der Realität verschließt? - Es bleibt die Kindheit, der Acker, auf dem sich Pflanzen und Kinder tummeln, die Stube, die die Jahreszeiten hinaus sperrt, es bleiben zwei drei Schafe, die unvermittelt auf der Schreibtischplatte auftauchen.

Sepp Mall braucht wie ein genialer Musiker nur zwei drei Handgriffe, um mit  unverwechselbaren Riffs seine Lyrik zum Klingen zu bringen.

Svetislav Basara, Die Verschwörung der Fahrradfahrer

h.schoenauer - 23.02.2015

„Der Zerfall nimmt üblicherweise seinen Anfang an Orten, auf die niemand achtet.“ (159)

Svetislav Basara hat seinen „Verschwörungsroman“ zeitgleich mit dem Zerfall Jugoslawiens geschrieben, jetzt nach einem Vierteljahrhundert erweisen sich Thema, Stil und Handlung als geradezu prophetisch im Hinblick auf Ausblick und Abrechnung für ein verschwundenes System. Das Thema ist über Nacht da, sagt der Autor, es gibt keine Roman-Form für so eine Umsturzsache, weshalb es im Roman ziemlich aufgelöst zugeht.

Marie-Thérèse Kerschbaumer, Res publica

h.schoenauer - 20.02.2015

Ab und zu tauchen sie jäh auf, diese Bücher, die aus der Zeit gefallen sind. Sie lösen ungeheure Überraschung aus in einer genormten Bücherwelt und zeigen, wie sich der sogenannte Zeitgeist letztlich in einer riesigen Gedankan-Flaute selbst still legt.

Marie-Thérèse Kerschbaumer eröffnet mit ihrer „Res publica“ gar eine eigene Reihe, die Ultramarin-Reihe im Wieser Verlag. Als Vorspann erklärt sie, wie es zu diesem edlen Namen gekommen ist.

Peter Natter, Die Tote im Cellokasten

h.schoenauer - 18.02.2015

Wenn es Leute gibt, die bei der Schubertiade im Bregenzer Wald vor Hingabe zerschmelzen, wird es auch genügend Fans geben, die sich bei der Lektüre eines Wälder-Krimis vor Wonne quasi selbst auflösen.

Peter Natter, der wie alle Krimi-Schreiber die Produktion von Krimis freiwillig macht, schickt seinen skurrilen Bregenzer Inspektor Ibele zu einem Fall, der während der Schubertiade in Schwarzenberg loslegt, weshalb es auch gleich Ibeles schwärzester Fall wird.

Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie

andreas.markt-huter - 16.02.2015

„Österreich-Ungarn aber, eine – wie es so schön hieß – »stagnierende Großmacht«, sah ähnlich wie Großbritannien in der Aufrechterhaltung der geltenden europäischen Ordnung eine Chance. Das aber nicht aus innerster Überzeugung, sondern aufgrund einer evidenten Schwäche. Sie, und vor allem sie war der Grund dafür, dass Krieg zur Lösung der Probleme dann doch wenn schon nicht angestrebt, so nicht mehr regelrecht ausgeschlossen wurde.“ (14)

Manfried Rauchensteiners opulentes Werk über die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg umfasst alle Aspekte vom Vorabend des Krieges bis zum Zusammenbruch des Habsburgerreiches und dem Niedergang der Monarchie. Dabei werden die wesentlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründe genauso detailliert erläutert, wie die wichtigsten Protagonisten und Entscheidungsträger rund um die Zeit des Ersten Weltkrieges vorgestellt, aber auch der Kriegsverlauf und Kämpfe der österreichisch-ungarischen Armee auch für Laien verständlich und nachvollziehbar analysiert.

Simon Konttas, Die Verdunkelung

h.schoenauer - 13.02.2015

Empfindsame Seelen müssen geschützt in abgedunkelter Atmosphäre gehalten werden, nur im Schutz der eigenen Umhüllung können sie manche Tage überstehen.

Simon Konttas zeigt in seinen beiden Novellen das Phänomen fragiler Psychen einmal als dunkle Variante am Rand der Gewöhnlichkeit und einmal als überhitzte Lichtflamme bei einem Gartenfest.