Belletristik und Sachbücher

Gerhard Jaschke, Allerweltsgedichte

h.schoenauer - 27.04.2014

Genau besehen haben Allerweltsgedichte eine doppelte Zugkraft, einmal ziehen sie mit großem Drang hinaus in alle Welt, andererseits sind sie von einer Alltäglichkeit, dass sie auch zu Hause bestens funktionieren.

Gerhard Jaschke hat für beide Zugrichtungen ein Programm, das lapidar am besten mit seinem Kurzgedicht überschrieben werden kann: „von wörgl aus / um die halbe welt“ (86). Die Weltstadt Wörgl, die üblicherweise als von Chris Lohner aus den ÖBB-Lautsprechern heraus gewürgte Haltestelle durch die Ohren Österreichs geistert, wird hier geadelt als ein Ort höchster Aufbruchsstimmung.

Ann Cotten, Der schaudernde Fächer

h.schoenauer - 24.04.2014

Ein Fächer verhüllt einerseits das Antlitz, gleichzeitig bewegt er es durch seine Zuckungen. Wenn er dann gar noch zu schaudern anfängt, liegt das entweder am Gesicht oder an der Welt, die er beide jeweils zu bewegen versucht.

Ann Cotten nimmt ein japanisches Kult-Gerät in die Hand, um in siebzehn Erzählungen Bewegung in emotionale Ruhezonen zu bringen. Dabei geht es meist um Gefühle, die sich kunstvoll an der Oberfläche wegwischen lassen oder deren Tiefgang durch rituelle Handlungen kalt gehalten werden müssen.

Manfred Chobot, Mich piekst ein Ameisenbär

h.schoenauer - 22.04.2014

Weltgeschichten sind die größten Globetrotter, sie kommen überall hin, nehmen überall das Wesentliche auf und bringen die besten Sachen zu Hause auf den Vorlese-Tisch.

Manfred Chobot schickt seine Helden meist freiwillig um die Welt, sie tun sich das Fremde aus Neugierde an und erweitern dabei ihren Horizont. Die Reisevorbereitung und Einstimmung sind dabei fast wichtiger als die Reise selbst, auch hier gilt die stille Lebensweisheit: So wie du eine Reise antrittst, so ist sie!

Andreas Unterweger, Das kostbarste aller Geschenke

h.schoenauer - 17.04.2014

Die meisten Autoren werden kurzfristig aus ihrem Schreiberdasein gerissen, wenn sie Vater werden. Bei der Beobachtung der ersten Geräusche des Kindes definieren sie sich dann meist als Dichter neu, gleicht doch das Kinderlallen durchaus den Grundstrukturen der Literatur.

Andreas Unterweger ist also Vater geworden und feiert dies mit einem „Roman“ aus Notizen, den er in der Struktur seiner neuen Rolle anpasst. Einerseits werden die Begebenheiten, Geräusche und Verdauungssequenzen des Kindes aufmerksamen notiert, andererseits müssen diese Notizen dann vor dem großen Auge der Weltliteratur Platz nehmen und ihre Bedeutung kundtun.

Oliver Schopf, Beim Schopf gepackt

h.schoenauer - 16.04.2014

In einem Innsbrucker Gymnasium quält in den 1970er Jahren ein Englischprofessor ganze Jahrgänge an Schülern und löst dadurch ungewollt so manche Karriere aus.

Sinn seines Unterrichtsstils ist es offensichtlich, die Besten von der Schule zu vergraulen und schnell der Kreativität des puren Lebens zuzuführen.

Einer dieser Vertriebenen ist Oliver Schopf, der aus Rache an dem Desaster-Professor eine Karikatur verfasst, die reißenden Absatz findet. Ab jetzt zeichnet er zuerst neben Matura und Studium, später für Standard und Süddeutsche Zeitung wie wild.

Annemarie Regensburger, Gewachsen im Schatten

h.schoenauer - 13.04.2014

Was wie eine edle Herkunftsbezeichnung eines raren Weines klingt, hat bei der Beschreibung des eigenen Lebens natürlich schattige und dunkle Seiten.

Annemarie Regensburger erzählt in ihrer Geschichte einer Befreiung durchaus autobiographisch, sie setzt das Persönliche in ein Album der Zeitgeschichte und stabilisiert das Individuelle durch einen kommentierenden Erzählstil, sodass Gesellschaftspolitik, Leben der Hauptfigur und fiktionale Träume und Überlegungen ins allgemein Interessante transferiert werden.

Robert Prosser, Geister und Tattoos

h.schoenauer - 10.04.2014

Obwohl es Wörter aus der üblichen Welt sind, erzählen sie unter dem Einfluss von Geistern und Tattoos eine Geschichte nicht von dieser Welt.

Robert Prosser siedelt seine Helden im entlegenen Kaukasus in einer Zeit nach einem Krieg an, der die Überlebenden völlig traumatisiert hat. „Unter Wölfen“ nennt sich dann auch das erste Kapitel, worin der Überlebenskampf strukturiert ist wie in Wolfsrudeln, die die abgebrannten Dörfer umkreisen.

Reinhard Kocznar, Hamster im Laufrad

h.schoenauer - 08.04.2014

Für manche Zustände sind Beamtenwitze am erklärungsfreudigsten: Treffen sich zwei unkündbare Hamster, fragt der eine, in welchem Modell rennst du?

Reinhard Kocznar geht seine Hamster-Analyse witzig wie einen Beamtenwitz an, er wählt dabei den Standpunkt eines Außenstehenden, der wohlwollend auf das rennende Getier schaut, der aber auch weiß, dass er selbst in einem Meta-Rad seine Runden dreht.

Lina Hofstädter, Er und Sie

h.schoenauer - 06.04.2014

Manchmal besteht der Sinn der Liebe darin, dass die beiden Schmachtenden ums Verrecken nicht zusammenkommen dürfen.

Lina Hofstätter verwendet die Technik einer Doppelerzählung um das unmögliche Zusammendriften von Mann und Frau aufzudröseln. Er und Sie kriegen einerseits das autarke Feld eines kleinen Kurzromans zugeteilt, andererseits sind die beiden Teile untrennbar mit erzählerischen Widerhaken ineinander verschränkt und ließen sich nur unter großen Verwundungen trennen.

Werner J. Egli / Martin Kolozs, Im Springen eines Steines

h.schoenauer - 03.04.2014

In der Literatur wird manchmal die Logik der Ereignisse ausgehebelt wie die Schwerkraft, wenn man einen Stein fetzig über die Wasseroberfläche springen lässt.

Die Autoren Werner Egli und Martin Kolozs, beide sind perfekte Abnager von Erzählknochen, haben sich eine Woche lang zu einem Schreibexperiment zusammengefunden. Gelingt es, eine dynamische Schreibwoche in eine dynamische Erzählung zu transformieren?