Aktuelle Buchtipps

 

Bartholomäus Holzhauser, Die geheimen Visionen des Bartholomäus Holzhauser

h.schoenauer - 19.08.2024

bartholomäus holzhauser, die geheimen visionen des bartholomäus holzhauserBei der Beschäftigung mit „heimatlicher Chronik“ treten unter dem Schutt von Trivia immer wieder kleine Zeitkapseln zu Tage, worin dokumentiert ist, dass ein großer Geist an einem kleinen Ort gewohnt hat und darin vergessen worden ist.

Hannes Hofinger geht mit seinem bodenständigen Verlag konsequent die historischen Substanzen seiner Gemeinde St. Johann durch und wird fündig. Ab und zu befreit er einen Fund vom Staub der Zeit, lässt ihn historisch begutachten und veröffentlicht das Ganze als kleines Faksimile.

Von dieser bibliothekarischen Naturneugierde beseelt hat er kürzlich unter der fachlichen Kommentierung von Peter Fischer die „geheimen Visionen des Bartholomäus Holzhauser“ herausgebracht.

Anna & Rainer Wekwerth, Becoming Megan

andreas.markt-huter - 16.08.2024

anna und rainer wekwerth, becoming megan„White fasste sich an die Nase und rieb sie. Dann sah er sie eindringlich an. Plötzlich wirkte er wie ein Raubtier, das sie belauerte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Kat breit und jagte ihr einen Schauer über den Rücken. »Ihr Geist befindet sich nicht mehr ihn Ihrem Körper.« »Was?«, kreischte Kat auf. »Sind sie …?« »Ihr alter Körper wurde vernichtet, nachdem …« Kat ließ ihn nicht aussprechen. »Bullshit!«“ (S. 14)

Die neunzehnjährige Kat Anderson verunglückt mit ihrer Familie bei einem Autounfall, bei dem ihre Eltern sterben und ihre ältere Schwester Emily querschnittsgelähmt wird. Sie selbst liegt sechs Jahre lang im Koma, ehe sie in einem unbekannten Raum erwacht und von Dr. White begrüßt wird, der ihr die unglaubliche Tatsache vermittelt, dass sich ihr Geist im Körper der kürzlich an einer Heroinüberdosis verstorbenen Megan Taylor befindet.

Alexandra Bernhardt, Zoon poietikon

h.schoenauer - 12.08.2024

alexandra bernhardt, zoon poietikonManche Begriffe fußen glücklicherweise immer noch auf menschlicher Intelligenz, sie lassen sich auch durch penetrante Anrufung nicht von der Google bewältigen. Gibt man also „Zoon poietikon“ ein, so wird daraus ein „politikon“, das sich hartnäckig über dem gesuchten Begriff einnistet.

Alexandra Bernhardts Gedichte stützen sich auf dem Kanon der Lyrik, wie er in leichter Veränderung seit Jahrhunderten tradiert wird. Verszeilen aus dem Griechischen, Renaissance-Sonette, der Schalk der Romantik und die Süße des Sprachspiels sind als Schattierungen quasi in jedem Gedicht verborgen. So lassen sich ihre Texte stets zweifach lesen, einmal als ihr Original, wie es einer Tagesverfassung entsprungen ist, und einmal als Zitat für ein literaturhistorisches Setting, das dadurch geadelt und für weitere Jahrhunderte gerettet wird.

Susa Hämmerle, ABRA ZACK!

andreas.markt-huter - 09.08.2024

susa hämmerle, abra zack„»Abra zack!«, ruft Abra und hüpft aus der Hängematte. Sie hat gerade beschlossen, dass sie eine Anfangsparty machen will. Aber wo? Unter dem Aha-Baum? Oder beim Abendrotbach? Nein, dort ist zu viel Ameisengewimmel!“ (S. Aa)

Die fröhliche Abra macht sich auf die Suche nach dem richtigen Ort für ihre Anfangsparty und durchstöbert dabei das ganz Alphabet von A wie Anfangsparty, Aha-Baum, Abendrotbach und Ameisengewimmel bis Z wie Zig Gäste, Zuckerwatte, Zi-Zeppelin Zählsekunden, Zimteiszeppelin und zack.

Das H tritt sogar in einem schwarz-gelben Hummelkostüm auf und auf dem Gipfel eines Gugelhupfs findet sich selbstverständlich ein G. Das K hat Löcher wie ein Schweizerkäse und das T zeigt sich als Tankestelle mit einem Tischtennistisch auf dem Dach. Am Ende kann die Party endlich mit all ihren außergewöhnlichen Partygästen endlich steigen.

Reinhard Wegerth, Die besten Wunder

h.schoenauer - 05.08.2024

reinhard wegerth, die besten wunderSuche den Kern der Hülle! – In der Literatur gibt es ständig neue Rätsel zu lösen, deren Lösungen später wieder zum Aufbau neuer Rätsel genutzt werden können. Reinhard Wegerth nimmt die „besten Wunder“ aus den Gründungsmythen von Islam und Christentum unter seine literarischen Fittiche, indem er sie ohne Vorurteile behutsam aus dem religiösen Kontext schält und als Präparate der Fiktion unter das Lektüre-Mikroskop legt.

Während das Genre Wunder in der Hauptsache bei religiös funktionierenden Geschichten zum Einsatz kommt, ist der Ausdruck „Mirakel“ schon ziemlich profan gedeutet. Schließlich steht beim Mirakel eher der Unterhaltungswert eines Ereignisses im Vordergrund, und das Staunen als Zeitvertreib ersetzt den moralisch dehydrierten Zeigefinger.

Rachel Bright, Kleine Pandas, großes Versprechen

andreas.markt-huter - 02.08.2024

rachel bright, kleiner panda, großes versprechen„Am Berg, wo Wolken schwebten wie Schleier zart und fein, / da rollten sich zwei Pandas auf Blätterkissen ein. / Die Augen fest geschlossen, die Köpfe dicht an dicht, beschützt von ihrer Mama, ein Lächeln im Gesicht. // Das Pandamädchen Nima war ruhig und rücksichtsvoll, und ihre Schwester Ketu fand Abenteuer toll.“

Die Pandamädchen Nima und Ketu haben ganz unterschiedliche Charaktere, doch eines verbindet die beiden gleichermaßen: ihr unverrückbarer Willen einander zu helfen und nie im Stich zu lassen.

Während es Nima, die die Ruhe und Sicherheit liebt, leichtfällt, sich an das Versprechen zu halten, kann sich die abenteuerlustige und neugierige Ketu einfach nicht zurückhalten und beschließt heimlich, während Mama schläft, den Berg zu besuchen.

Christine Vescoli, Mutternichts

h.schoenauer - 29.07.2024

christine vescoli, mutternichtsMutterliebe, Mutterschutz, Mutterwitz – mit allem ist in der Literatur zu rechnen. Aber Mutternichts? Ein irritierender Titel wie alles, bei dem das Nichts die Hauptrolle spielt. Christine Vescoli versucht sich an einem erzählerischen Kunststück, sie lässt eine Ich-Erzählerin über die Mutter reflektieren. Und obwohl es in der Erinnerungsliteratur hunderte von Schablonen für Mutter-Gedenken gibt, steht sie vor dem Nichts. „Mutter zieht sich ins Nichts zurück.“ (7)

Die Ausgangslage ist entsprechend fatal. Sobald die Erzählerin mit dem Begriff Mutter konfrontiert wird, ist keine Person mehr dahinter sichtbar, visiert sie aber die Person an, ist der Mutterbegriff weg. Diese wechselseitige Ausblendung von Sichtweisen kumuliert zu einem beinahe haptischen Nichts. „Das Nichts war zeitlebens im Rücken der Mutter, war allumfassend und doch nie greifbar.“

Martin Widmark, Detektivbüro LasseMaja - Das Feuerwehrgeheimnis

andreas.markt-huter - 26.07.2024

martin widmark, das feuerwehrgeheimnis„Es ist ein warmer, schöner Julitag. Lasse und Maja haben den ganzen Vormittag geschuftet, obwohl sie Sommerferien haben: Großreinemache im Detektivbüro ist angesagt. Sie haben alle Möbel, Aktenordner und Kisten raus in den Garten getragen, damit Lasse gründlich den Boden schrubben kann.“ (S. 12)

Die beiden jungen Detektive Lasse und Maja sind gerade beim jährlichen Aufräumen ihres Büros als sie in der Zeitung von einem geplanten Infotag der Feuerwehr und zwei Brandstiftungen in Valleby und lesen, bei denen eine wertvolle Halskette und eine chinesische Vase verschwunden sind. Die beiden Detektive haben den Fall bereits untersucht, ihn aber nicht lösen können.

Ulla Mersmeyer, Die Krümelbande – Heute hab ich Waschbärwut!

andreas.markt-huter - 19.07.2024

ulla mersmeyer, die krümelbande„Das ist die Krümelbande. Und das ist Lina. Lina tanzt und singt gerne den ganzen Tag. Aber es gibt auch Tage, da hat Lina Riesenwut. Riesige Waschbärenwut!“

Das Gefühlsleben kleiner Kinder ist an manchen Tagen eine richtige Berg- und Talfahrt. Dass nicht immer alles so geht, wie man will und wie sich auch unangenehme Dinge meistern lassen, können sie im Bilderbuch „Die Krümelbande“ miterleben.

Lina, das kleine Waschbärenmädchen wünscht sich im Winter ihr gelben Sonnenkleid anzuziehen. Weil es draußen jedoch eisig kalt ist, zeigt sich Papa damit aber nicht einverstanden. Er beschließt ihr den sonnengelben Fahrradhelm und die Sonnenbrille aufzusetzen, um dennoch schon erste Sommergefühle aufkommen zu lassen.

Dieter Sperl, An so viele wie mich

h.schoenauer - 08.07.2024

dieter sperl, an so viele wie michStell dir eine Zimmer-große Kiste vor, darin sind lauter Scharniere eingelagert. Wenn du sie einzeln verwendest, kannst du alles damit beweglich und mehrdeutig gestalten. Dieter Sperl verschenkt eine ganze Charge solcher Scharniere, er nennt sie Traumnotizen und es geht um diese bewegliche Naht zwischen Traum- und Tages-Wirklichkeit. „An so viele wie mich“ eignet sich bestens als Titel, denn diese Fügung lässt sich vorne und hinten ausbauen zu einem multiplen Ereignis.

Wahrscheinlich sollte man den Begriff „Traumnotizen“ verschiedenen Bedeutungsfeldern zuweisen, einmal sind es wohl Notizen, die jemand im Umfeld eines Traums gestaltet hat, andererseits kann es sich auch um Notizen handeln, die Lesende zum Träumen bringen, ja sogar der Autor selbst kann die Texte für höchst gelungen halten, im Sinne von Traum-Urlaub, Traum-Angebot. Und schließlich weist der Traum-Begriff auf etwas Kollektives hin, das von der Gesellschaft teils träumerisch, teils traumatisiert bewältigt wird – die Pandemie.