Elisabeth Herrmann, Zartbittertod
„Ein altes, verblichenes Foto. So groß wie eine Postkarte. Die Gesichter der beiden Männer waren kaum noch zu erkennen, die Zeit hatte fast alle markanten Züge gelöscht. Doch die Haltung war eindeutig: Der eine groß, stolz und selbstbewusst, der andere fast noch ein Junge, schmal, schüchtern, beide in knöchellangen weißen Kitteln. Zwischen ihnen stand, riesig und dunkel glänzend, ein Nashorn.“ (S. 11)
Die angehende Journalistin Mia Arnholt ist ganz beeindruckt von einem alten Foto in der Chocolaterie ihrer Eltern, das ihren Urgroßvater Jakob mit dem Gründer der größten deutschen Schokoladenfabrik Gottlob Herder zeigt. Als Sie beschließt, für die Aufnahmeprüfung an eine Journalistenschule, der Geschichte rund um das Familienfoto nachzugehen. Sie ahnt nicht, dass ihre Recherche ein über Generationen gehütetes und bedrohliches Geheimnis freilegt.
Wenn einmal das große Wirtschaften die Macht übernommen hat, wird davon auch die Literatur eines Landes berührt. Bei Büchern über Südtirol denkt man meist an Krimis, Hotelprospekte und Sommerfrische-Storys. Kaum jemand kommt auf Anhieb auf die Idee, dass sich unter dem Label Südtirol auch Schicksale, Erzählungen und Lebensgeschichten verbergen könnten.
„Später möchte ich mal einen Obst- und Gemüsegarten haben und nur essen, was dort wächst … / und ich nie selber kochen, sondern immer mit Freunden ins Restaurant essen gehen.
Farben verhalten sich in der Literatur geradezu paradox: Je genauer sie beschrieben sind, umso mehr treten sie aus dem Erzählten hinaus, und umgekehrt machen sie eine Stimmung klar, indem man ihnen eine bestimmte Farbe gibt.
„Es ist eigentlich nichts besonders überraschend, dass der Tag, an dem mir fast von einem gemeinen Monster das Gesicht weggekratzt worden wäre, ein Donnerstag war. Seit ungefähr dem Anbeginn aller Zeiten […] sind den Leuten aus meiner Familie an Donnerstagen schlimme Dinge widerfahren.“ (S. 13)
„Dieses Buch handelt von Zivilcourage. Bevor es konkret wird, ist das inhaltliche und begriffliche Feld zu definieren. Klarheit muss hergestellt werden über die Bedeutung von Zivilcourage, dem Thema dieses Buches, und des Begriffs Widerstand, der eng damit zusammenhängt, jedoch nicht unbedingt das Gleiche meint.“ (S. 7f)
„»Das Gliss bedeckt fast unseren gesamten Planeten, und es ist rutschiger als alles, was wir kennen«, erklärte mir Großmutter. »Daher der Name. Tatsächlich gibt es auf Gliss überhaupt keine Reibung. Wir wissen nicht, wie so etwas möglich ist, aber wir wissen, dass es so ist. Man kann es messen.« Ich verstand damals nicht, was sie damit meinte und wieso sie es so nachdenklich sagte. Dass das Gliss das große Wunder unserer Welt ist, habe ich erst später begriffen.“ (S. 6)
Das Kind kommt zum ersten Mal in die Provinzstadt und ist erschlagen von der Weite und Undurchdringlichkeit der Stadt. Es kann nur einzelne Wörter lesen und merkt sich den Straßennamen Resselstraße, sollte es verlorengehen. Dort nämlich wohnen Bekannte. Aber o Wunder, der Name Ressel geht ein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf, er steht für Abenteuer, Sicherheit und Orientierung. Diese drei Dinge verspricht auch die Literatur, weshalb ein Leser immer Züge des Josef Ressel an sich hat, wie das erwachsene Kind eines Tages bemerkt.
„Stell dir vor, du wärst in der Steinzeit geboren worden … oder im alten Ägypten oder als Römer oder Wikingerin. Dein Leben wäre vielleicht ganz anders verlaufen – womöglich gefährlicher oder einfacher, langweilige oder aufregender. Die Kinder in diesem Buch stammen aus verschiedenen alten Kulturen. Komm ruhig näher – sie wollen dich unbedingt kennenlernen und dir zeigen, was sie aßen, spielten, arbeiteten und wie sie zu ihre Zeit lebten. (S. 4f)
Zwischen Literatur und Geschichte herrscht immer ein unausgesprochenes Wechselspiel. Zum einen vermag die Literatur gesellschaftliche Umbrüche voranzutreiben oder zu verhindern, zum anderen werden in Zeiten des Umbruchs selbst intime Liebesgeschichten zu einem Politikum.