Aktuelle Buchtipps

 

Jens Schumacher, Das Buch mit dem Fluch

andreas.markt-huter - 19.03.2022

jens schumacher, das buch mit dem fluch„Das findest du nicht normal? Dass ein Buch mit dir spricht? Dass es dich sehen kann? Aber klar doch: Ich kann dich sehen – ich sehe, wie du gerade ganz schön dumm aus der Wäsche guckst und die fragst, ob das überhaupt möglich ist.“ (S. 6)

Snuphuluzius Radiomir Quolph-Batalyx Pherkulex Golchong XVII. So heißt der eigenwillige Held, der gefangen in einem Buch steckt und die Hilfe der Leser des Buchs benötigt, um wieder freizukommen. Dabei handelt es sich bei dem kleinen Monster in Wirklichkeit um einen großen Aufschneider.

Silvia Ferrara, Die große Erfindung

andreas.markt-huter - 18.03.2022

silvia ferrara, die große erfindung„Dieses Buch handelt weder von der griechischen Antike noch vom Alphabet, und es auch kein historischer Essay, sondern gewissermaßen eine Erzählung, die von einer Erfindung handelt: von der größten der Welt. Gewissermaßen, weil sie zwar einen Anfang hat und von einer abenteuerlichen Reise um die Welt handelt, ihr Ende aber erst noch geschrieben werden muss.“ (S. 9)

Silvia Ferrara betrachtet die Schrift als Manifestation des menschlichen Bedürfnisses zu kommunizieren, unsere Existenz „auf einem fest Grund zu verankern“ und unsere Bewusstsein die Zeiten überdauern zu lassen. Als Helden steht dabei der Menschen selbst im Mittelpunkt, mit seiner Fähigkeit mit dem Leben zu interagieren und zu kommunizieren. In der Schrift tritt uns eine ganze Welt entgegen, die es zu entdecken gilt und durch die wir die Erscheinungen der Welt filtern.

Stephan Wolf, Wiesenwald

andreas.markt-huter - 17.03.2022

stephan wolf, wiesenwald„»Liebe Bewohnerinnen und Bewohner von Wiesenwald!«, rief er mit gerunzelter Stirn und seiner Lesebrille zwischen den Fingern. »Ich habe heute eine beunruhigende Nachricht für euch: Unsere Wiese ist in großer Gefahr!« »Was?« »Warum?« »Was hat er gesagt?« »Gefahr? Hab ich das richtig gehört?« (S. 24)

An einem schönen Frühlingstag zeigen sich die Tiere merkwürdig aufgeregt. Miki Lautsch, der Bürgermeister von Wiesenwald lässt eine Versammlung einberufen, was so selten passiert, dass allen Bewohnern des Wiesenwaldes klar ist, dass sich etwas Wichtiges ereignet haben muss. Es geht um die Bienenkönigin.

Ewald Baringer, Der Zaunprinz

h.schoenauer - 16.03.2022

ewald baringer, der zaunprinzPrinz kann ein hartes Schicksal sein. Ein besonders „prinziges“ Schicksal hat in der Gegenwart der englische Thronfolger ausgefasst, der mit großen Ohren gegen sein Leben in der Warteschleife ankämpft.

Ewald Baringer stellt in seinem Roman ein triviales Prinzen-Schicksal aus unseren Breitengraden vor. Und wer könnte besser für diese undankbare Aufgabe geeignet sein als ein Germanist, der ein Leben lang mit nichts fertig wird? Natürlich sind es auch beim Germanisten widrige Umstände, die ihn an seiner undefinierten Aufgabe scheitern lassen, aber als halbgebildeter Mensch weiß er, dass der Zaunkönig ein kluges Tier ist, das in der Fabel schon mal zu einem Zaunprinzen mutieren kann, indem er sich die Welt schönredet und auf große Missionen pfeift.

Stephan Knösel, Panic Hotel

andreas.markt-huter - 16.03.2022

stephan knösel, panic hotel„Es war wie ein Albtraum – doch es passierte wirklich, selbst wenn es immer noch unvorstellbar war. Der Krieg hatte Europa erreicht. Wie ein gigantischer Waldbrand hatte er sich vom Nahen Osten aus von Land zu Land gefressen und die Weltmeere übersprungen – alle innerhalb weniger Stunden.“ (S. 9)

Nach dem Ausbruch des Atomkriegs kann sich in Deutschland die kleine Schicht der Reichen in Atombunkern in Sicherheit bringen, die sie vorsorglich für sich, eingerichtet wie Luxushotels, errichten haben lassen. Begleitet werden sie von einer Gruppe Bediensteter, die für sie die täglichen Arbeiten verrichten sollen. Ihr Lohn: sie dürfen überleben, während sämtliches Leben außerhalb der Bunker vernichtet worden ist.

Irene Wondratsch, Fata Morgana

h.schoenauer - 14.03.2022

irene wondratsch, fata morganaEin recht seltenes Schreibziel liegt darin, von vorneherein gescheiterte Literatur zu verfassen und die Geschichten in Sackgassen zu jagen, worin sie der Leser aufwändig aufspüren soll.

In vier Erzählversuchen baut Irene Wondratsch an einer fiktionalen Blase herum, die aus der Entfernung als wabernder Stoff einer Fata Morgana durchs Buch schimmert. Die unklaren Verhältnisse können auf die schwachen Augen der Lesenden zurückzuführen sein, es kann sich aber auch um Textkompositionen handeln, die von vorneherein keine Trennung zwischen klaren Linien, Personen und ihren Sätzen machen. „Traum und Fehlen jeglicher Nachricht“ (77) wird jener Zustand genannt, in dem die Helden vor den Augen der Schreibenden zusammenbrechen.

Davide Morosinotto, Die Rebellen von Salento

andreas.markt-huter - 12.03.2022

davide morosinotto, die rebellen von salento„An diesem Morgen wusste Paolo noch gar nicht, dass er König werden würde. Woher hätte er das auch wissen sollen? Er war ja nur ein ganz normaler 13-jähriger Junge, nicht besonders groß, mit Haaren, die ständig verstrubbelt waren, und der schlechten Angewohnheit, an seinen Fingernägeln herumzukauen, wenn er angestrengt nachdachte.“ (S. 7)

Paolo lebt mit seiner Familie in der Casa Vulia, einem Gutshaus in Salento, das „ganz unten am Absatz des italienischen Stiefels“ liegt. Die Ferien stehen kurz vor der Tür und er kann es kaum erwarten, endlich frei mit seinen besten Freunden Laerte und Antonio zu Schwimmen, Rad zu fahren und die Feste der Dörfer zu besuchen.

Hannes Hofinger, Nasca-Healing

h.schoenauer - 11.03.2022

hannes hofinger, nasca-healingDer Tiroler Menschenschlag setzt sich generell aus jenen Elementen zusammen, die in touristischen Saison-Prospekten geoffenbart werden. Darin werden Begriffe hochgehalten wie: Schmalz, Almvieh, Brunft, Hormone, Schlitzohr, hinterfotzig, überirdisch oder bodenständig. – Ein Tiroler Roman muss das alles berücksichtigen, was ihn zum schwierigsten Genre der Literatur macht.

Hannes Hofinger nennt sein Projekt des totalen Tirolromans „Nasca-Healing“. Dabei wird gekonnt eine Erzählstaffelei aufgestellt, die Unwahrscheinliches, Reales, Unwirkliches und Geträumtes in Gestalt eines Multi-Hybrids zum Ausmalen bringt. Die Genres Krimi, Schnulze, Romanze, Heimat- und Heiler-Roman sind dabei unauffällig ineinandergesteckt, sodass man bei jedem Umblättern irritiert ist, welche Dramaturgie nun schon wieder am Werk ist.

Andreas H. Schmachtl, Hörnchen & Bär

andreas.markt-huter - 10.03.2022

andreas h. schmachtl, hörnchen und bär„Neulich im Wald war ein gewisses Gebrumm zu hören. Damit lässt es sich beginnen. Und dann kann man noch sagen, dass es ein sehr guter Wald war. Womöglich sogar der beste. Es gab nämlich einen See, unzählige Bäche, bemooste Felsen, Blaubeerbüsche, dichtes Unterholz und natürlich Bäume.“ (S. 10)

Hörnchen lebt in einer gemütlichen Schlafhöhle im Stamm eines großen Baumes, auf dem es sich auch Hetti die Zaunkönigin und Hopp der Laubfrosch eingerichtet haben. Als er am Fuß des Baumes ein Gebrumm wahrnimmt, das zu seinem Freund Bär gehört. Den begleitet er schon mal gern zum Fischen am See auch wenn er keinen Fisch, sondern Eicheln mag und sich schlauerweise gleich eine Eichel an seine kleine Angel bindet.

Raimund Bahr, Selbst die Vögel fliegen nicht mehr in den Süden

h.schoenauer - 09.03.2022

raimund bahr, selbst die vögel fliegen nicht in den südenJahreszahlen auf Buchcovern lösen im Lesegedächtnis unverschlüsselte Reaktionen aus. Wenn die seltsame Zahl 2020 aufblitzt, erweckt sie ähnlich wie seinerzeit 1914 ein mulmiges Gefühl, geht es doch bei beiden Jahren um große Katastrophen.

Raimund Bahr hat das pandemische Jahr mit einem trockenen Satz überschrieben: „Selbst die Vögel fliegen nicht mehr in den Süden.“ Die evozierten Vögel tauchen normalerweise in jeder Gedichtsammlung auf, um durch die Konnotationen Flug, Bewegung, Nest und Gesang das Wesen der Lyrik zum Klingen zu bringen. Die Zeit wird dabei zum Vogel, der nach gelungenem Nestbau in den Süden fliegt, um der Wärme zu folgen. Jetzt freilich sind die Vögel entweder schon ausgestorben und durch Drohnen ersetzt, oder aber sie sind im Lockdown und vergessen auf das Fortfliegen.