Ada Zapperi Zucker, Theater der Schatten

Manchmal muss man für sich Entfernungen in die richtigen Relationen setzen, um eine Geschichte begreifen zu können. So sind etwa mit dem Auge der Monarchie gemessen die Städte Lemberg und Meran gleich weit von Wien entfernt.

Ada Zapperi Zucker beschreibt in ihrem Roman „Theater der Schatten“ den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie an ihren Rändern.

1906 ist Franziska völlig verloren in den Weiten Galiziens unterwegs. Sie stammt aus Wien und ist anlässlich ihrer Hochzeit mit dem neureichen Öl-Erben Kazimierz nach Lemberg überstellt worden, wo die Liebe schon bald nach der Hochzeitsnacht in eine Wirtschaftsehe übergegangen ist. Franziska hat sich stets geweigert, eine der ansässigen Sprachen zu lernen, was sie braucht, lässt sie sich von der Haushälterin dolmetschen.

Die Tochter ist wieder in Wien und der Mann schaut ab und zu im Landhaus vorbei und bringt alle um die Ruhe und den Verstand. Als dieser sich neben der Haushälterin auch noch mit einem Huzulen-Mädchen einlässt, ist es für Franziska Zeit zu gehen, sie hängt sich am sogenannten Teufelsbaum auf.

1918 ist nicht nur das Leben der System-Erhalter der Monarchie ziemlich am Ende, die Monarchie hat sich aufgelöst. Kazimierz hat sich nach Meran ans andere Ende der Monarchie verkrochen, die aber auch hier dem Ende zugeht. Das Huzulen-Mädchen hat ihm seinerzeit ein Bündel vor die Füße gelegt: „Das ist dein Sohn, er ist dein Eigentum.“ Er hat ihn Jaro genannt und dieser hilft ihm jetzt mit der Haushälterin, über die Runden zu kommen. Mit vielen Mühen gelingt der Truppe eine Flucht von Meran nach Wien, wo aber die Tochter in größten Schwierigkeiten steckt, weil sie offensichtlich einen kommunistischen Liebhaber hat.

Alles hat sich aufgelöst, und die Menschen sitzen fassungslos da vor den Trümmern ihrer Welten. „Gib mir ein wenig Zeit, ich muss nachdenken“, lautet der einzige Plan.
Ada Zapperi Zucker erzählt die Geschichte Galiziens und Südtirols in einer verblüffenden Parallelführung. Der geographische Rand eines Systems ist überall gleich strukturiert, es kommt nur auf die Entfernung zum Machtzentrum an, die die Lebensweise bestimmt. Wenn schließlich ein Mythos zusammenbricht, reißt er auch die einzelnen Menschen ins Bodenlose. Jede politische Lebensform ist schließlich ein Brett, auf dem die Individuen ihre Spielzüge setzen.

In einem Nachspann beschreibt die Autorin ihren Besuch in Lemberg gut hundert Jahre nach der Spielzeit im Roman. Dabei schärft sich durch den Blick auf Lemberg der Blick auf Südtirol, erst wenn wir die Geschichten der damaligen Provinzen miteinander vergleichen, sehen wir, wie sie zusammenhängen. – Eine aufregende Art der Geschichtsschreibung in Gestalt eines kaputten Liebesromans.

Ada Zapperi Zucker, Theater der Schatten. Roman. A. d. Ital. von Domenikus Andergassen. [Orig.: Teatro di ombre, Arezzo 2012].
München: VoG Verlag ohne Geld 2013. 253 Seiten. EUR 11,80. ISBN 978-3-943810-05-9.

 

Weiterführender Link:
VoG – Verlag ohne Geld: Ada Zapperi Zucker, Theater der Schatten

 

Helmuth Schönauer, 04-09-2013

Bibliographie

AutorIn

Ada Zapperi Zucker

Buchtitel

Theater der Schatten

Erscheinungsort

Teatro di ombre

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Verlag ohne Geld

Übersetzung

Domenikus Andergassen

Seitenzahl

253

Preis in EUR

11,80

ISBN

978-3-943810-05-9

Kurzbiographie AutorIn

Ada Zapperi Zucker, geb. 1937 in Catania, lebt in München.