Christoph W. Bauer, In einer Bar unter dem Meer

Was für eine verheißungsvolle Erzählkonstellation! In einer Bar unter dem Wasser sind die Figuren offensichtlich ausgesetzt dem relaxenden Gefühl bei Getränken und dem Druck schwerer Geschichten, die auf ihnen lasten wie auf einem U-Boot.

Christoph W. Bauer führt in 19 Erzählungen tatsächlich unscheinbare Gegebenheiten unter dem Druck lang angestauter Verhältnisse einem explosiven Ausbruch zu. Es sind fast immer flach atmende Leute, denen einmal im Leben etwas aus dem Ruder läuft und sie somit aus ihrer Gewöhnlichkeit wirft.

Ein Professor etwa bringt einen One-night-Stand über die Bühne, war da was, er kann sich am Morgen an nichts erinnern. Aber im Flur steht noch das gelbe Fahrrad, also muss sich in der Nacht etwas Aufregendes zugetragen haben.

Eine rätselhafte Arbeitskollegin setzt durch ihr bloßes Erscheinen so ziemlich alle in Aufruhr, die ihre Arbeitstage herunterbiegen. Zur Vorsicht zerreißt man sich über sie das Maul, aber noch ehe jemand etwas Genaueres weiß, ist sie schon wieder gekündigt und alles bleibt im Trott.

Ein anderer Arbeitsmensch hat im Büro sein Gesicht vergessen, als er gedankenverloren die Arbeit beendet hat, aber es fällt weiter nicht auf in einer Welt, in der jeder alles vergessen hat. Zudem ist es für einen Seitensprung recht hilfreich, wenn er gesichtslos passiert.

Eine Fernbeziehung bringt es mit sich, dass die Liebenden ständig mit dem Zug zueinander unterwegs sind. „Niemand ist Schlimmer dran als ein Reisender“, zitiert der Lover Joseph Roth. Ständig fährt er zwischen Klagenfurt und Innsbruck auf und ab, aber einmal wird er in Traunstein aussteigen, vielleicht ohne Grund.

Die Sehnsucht trat an einem Allerweltstag in mein Leben. (230)

Lea hat diesen Satz einmal auf einer kleinen Bühne sprechen müssen, sie weiß gar nicht mehr auf welcher, aber der Satz verfolgt sie ein Leben lang.

Ein Lehrer dreht endlich durch und kündigt vielleicht, eine Kassiererin scannt im Altersheim jeden Tag die Waren, die man ihr als Übung gegen die Demenz vor einer toten Kassa aufbereitet hat, eine Frau liest einen Liebes-Krimi, der zu keinem Ende kommt, ein Lover baut ständig Windburgen, weil er sich nicht auf konkrete Wünsche einlassen möchte.

Irgendwo in Deutschland wird die perfekte Ordnung ausgerufen, an die sich selbst die Helden halten müssen.

In einer Buchhandlung leiht man keine Bücher, weil man solche in einer Bücherei auch nicht kauft. (82)

Die Figuren, die die Bar unter dem Meer bevölkern, sind durchaus liebenswürdige Typen, die alle irgendwie aus der Rille gefallen sind. Eine große Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen, vielleicht auch bloß nach dem Meer treibt sie alle voran, während sie vom Leben zusammengekehrt werden wie Kehricht, der sich nicht rechtzeitig in die Ritzen retten konnte. Das Ungewöhnliche tut gar nicht weh, vor allem, wenn es nicht kommt.

Christoph W. Bauer, In einer Bar unter dem Meer. Erzählungen.
Innsbruck: Haymon 2013. 231 Seiten. EUR 19,90, ISBN 978-3-7099-7088-1.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Christoph W. Bauer, In einer Bar unter dem Meer
Wikipedia: Christoph W. Bauer

 

Helmuth Schönauer, 02-09-2013

Bibliographie

AutorIn

Christoph W. Bauer

Buchtitel

In einer Bar unter dem Meer

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Haymon-Verlag

Seitenzahl

231

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7088-1

Kurzbiographie AutorIn

Christoph W. Bauer, geb. 1968 in Kärnten, lebt in Innsbruck.