Lena Avanzini, Auf sanften Schwingen kommt der Tod

Wie Mais, Erz oder Altreifen werden Krimis mittlerweile als Massengut transportiert und in Tonnen abgerechnet. Dabei ist der Container noch die kleinste Abrechnungseinheit, es gibt Buchhandlungen, die ordern ganze Schiffsladungen von abgerundeten Krimis. Um in diesem Schüttgut den Überblick zu behalten, nummerieren die Autorinnen ihre Fälle durch, das hilft bei der Abrechnung, und auch die Leser sind froh, wenn sie sich eine Zahl merken können statt eines nichtssagenden Titels.

Lena Avanzini ist also jetzt beim zweiten Fall der Carla Bukowski und die größte Spannung tritt auf bei der Überlegung, wie viele es noch werden könnten. Gleich zu Beginn wird durch geschicktes Verhör ein Fall in Highspeed geklärt, eine Frau, die beinahe in flagranti beim Morden erwischt worden ist, gesteht diesen beinahe spontan.

Jetzt bleibt eine kurze Verschnaufpause für persönliches Desaster, denn eine ordentliche Kommissarin lebt privat gerne im Chaos, damit sie sich von der logischen Forensik entspannen kann. Carla hat eine neue Beziehung, der Mann heißt Leon und bringt einen Patchwork-Sohn mit, sie selbst ist seit ein paar Stunden von ihm schwanger, das wissen aber nur die Leser.

In regelmäßigen Abständen tauchen seltsame Schriften auf, Psychogramme von gekränkten Seelen, die schon längst gelöscht sind, aber als Fallbeispiele für Wahnsinn noch im amtlichen Netz herumgeistern. Und dann geht’s ab in eine Reha-Klinik, worin Leon gerade die Bandscheiben auskurieren muss. Carla übernimmt den Sohn und als sie abends ihren Lover in der Reha besuchen will, sieht sie ihn zwischen den Schenkeln einer Physiotherapeutin arbeiten. So ein Arschloch vergisst man nie!

Aber es kommt noch dicker, ein junger Polizist benimmt sich so korrekt, dass er eigentlich nur eine Todesnachricht im Sack haben kann. Und tatsächlich, Leon ist erschlagen worden.

Jetzt muss Carla aber wirklich eingreifen, recherchieren und was man halt sonst so tun muss, wenn ein Reha-Zentrum verrückt wird und es um Mord und Totschlag geht.

Lena Avanzini lässt immer genug Tote übers Papier laufen, sodass ständig für Spannung gesorgt ist, auch wenn einmal etwas geklärt scheint. Die Figuren sind alle liebevoll mit Marotten ausgestattet, so dass man sich fragt, warum die in einem Krimi auftreten müssen, die wären auch in der Literatur gut aufgehoben. Und immer wieder wird die Handlung auf einer Meta-Ebene kurz analysiert, das geht bis zur ironischen Bemerkung im Abspann, wo ein Kritiker eine saftige Marille gewidmet bekommt, obwohl es erst April ist. - Das ist feine, ausgereifte Ironie!

Als Leser freilich steht man in diesem Sommer vor einem Paradox: Früher einmal musste man Krimis lesen, weil es an den Stränden so brav und korrekt zugegangen ist, dass nur ein Krimi etwas Farbe in den Sand gezaubert hat. Heutzutage sind die meisten Strände wegen Blut und Terror in Echtzeit gesperrt, und man fragt sich, wo soll ich das blutige Textzeug noch lesen?

Lena Avanzini, Auf sanften Schwingen kommt der Tod. Carla Bukowskis zweiter Fall
Innsbruck: Haymon Verlag 2017 (= TB 227), 359 Seiten, 9,95 €, ISBN 978-3-7099-7872-6

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Lena Avanzini, Auf sanften Schwingen kommt der Tod
Homepage: Lena Avanzini

 

Helmuth Schönauer, 05-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Lena Avanzini

Buchtitel

Auf sanften Schwingen kommt der Tod

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Haymon Verlag

Reihe

Carla Bukowskis zweiter Fall (TB 227)

Seitenzahl

359

Preis in EUR

9,95

ISBN

978-3-7099-7872-6

Kurzbiographie AutorIn

Lena Avanzini ist das Krimipseudonym für Marie Tappeiner, sie lebt als Musikerin, Musikpädagogin und Autorin in Innsbruck.