Fanny Britt, Jane, der Fuchs und ich

„Meistens schaffe ich zwischen der Schule und zu Hause dreizehn Seiten. Manchmal ist Geneviève mit im Bus und ich höre sie hinten mit den Jungs über mich lästern. Dann blättere ich um, ohne wirklich zu lesen, weil mir das Herz in den Ohren trommelt.“ (16)

Hélène besucht die fünfte Schulklasse und wird von ihren Mitschülern gemobbt. An keinem Platz in der Schule fühlt sie sich mehr sicher und wohl, überall fürchtet sie sich vor dem gemeinen Getratschte der anderen und ihren Sprüchen an den Wänden. Ihren einzigen Trost findet Hélène in Charlotte Brontës Roman „Jane Eyre“.

Es vergeht kein Tag, an dem Hélène nicht getratzt wird, dabei weiß sie ganz genau, dass ihre früheren Freundinnen Geneviève, Anne-Julie, Sarah und Chloé dahinter stecken. Auf den Toiletten finden sich Sprüche wie: „Hélène wiegt hundertzehn! Und weiter unter: und stinkt nach Schweiß!“ (10), aber auch „Redet nicht mit Hélène; keiner kann sie leiden.“ (13)

Flucht aus dieser Trostlosigkeit bietet ihr die Geschichte des Waisenmädchens Jane Eyre, die von einer bösen Tante großgezogen wird, später in ein schreckliches Internat kommt und dennoch „erwachsen und schlank und klug“ (14) wird. Wenn Hélène mit dem Bus alleine in die Schule fährt und ihre Mitschüler sich über sie lustig machen, taucht sie in die Welt von Jane Eyre ein, um deren Schikanen zu vergessen.

Hélène lebt zusammen mit ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Brüder in einer kleinen Wohnung. Ihre Mutter kümmert sich um alles: den Haushalt, die Wäsche, die Hausaufgaben der Buben, die Jausenbrote für den nächsten Morgen und macht sich dennoch die Mühe für Hélène ein Petticoatkleid zu nähen.

Als die Lehrerin eines Tages ankündigt, dass die Klasse für fünf Tage in ein Englischcamp fahren wird, ist Hélène entsetzt vor Schreck. Die ganze Fahrt im Bus steckt sie den Kopf in ihr Buch, um in Ruhe gelassen zu werden und bei der Gruppeneinteilung gibt sie vor, in ihrer Tasche zu kramen, um sich nichts anmerken zu lassen, wenn keine der Cliquen sie bei sich haben will. Am Ende landet sie in der Gruppe der Außenseiter, denen es gleich ergeht. Alle tauchen in ihre Fantasiewelt, um die Gemeinheiten der realen Welt ignorieren.

Nachdem ihre Mitschüler Hélène wieder einmal mit ihrem Spott überzogen haben, taucht eines Nachts plötzlich ein kleiner roter Fuchs auf, von dem sie sich magisch angezogen fühlt und der ihr ganz vorsichtig immer näher kommt. Als der Fuchs von ihrer Mitbewohnerin vertrieben wird, da er tollwütig sei, ist Hélène endgültig am Boden zerstört. Doch da taucht ganz unerwartet die lebensfrohe und nette Géraldine auf, die ins Außenseiterzelt verbannt wurde, weil sie eine Cliquenregel nicht einhalten wollte.

Jetzt, wo sie da ist, haben die Außenseiter keine Nachnamen mehr. Lucia, Suzanne, Hélène. Dann zieht sie mich an der Hand nach draußen. Sie hat im Wald Erdbeeren entdeckt, die will sie mir zeigen. Mir und nicht Lucia oder Suzanne oder irgendjemand anderem aus ihrer Ex-Modepüppchen-Clique. (83)

Mit knappen Worten und aussagekräftigen Bildern erzählen Fanny Britt und Isabelle Arsenault die Geschichte einer Außenseiterin, die von ihren Mitschülern tagein tagaus gedemütigt wird und nur mehr in ihrer Fantasiewelt Trost und Lebensfreude finden kann. Mit kurzen starken Gesten wird die emotionale Welt der Heldin auf berührende Weise auf den Punkt gebracht und in Parallele zu Charlotte Brontës „Jane Eyre“ gestellt.

Dabei erleben die jungen Leserinnen und Leser, einerseits wie Menschen Mobbing empfinden und darunter leiden aber auch, dass sich in scheinbar aussichtslosen Zeiten, Grund zur Hoffnung verbirgt. Die überaus empfehlenswerte Comic-Erzählung besticht durch ihre einfühlsame, prägnante Sprache und ihre ebenso berührenden Illustrationen, in denen Schicksale und Gefühle zu Leben erwachen.

Fanny Britt, Jane, der Fuchs und ich. Ill. v. Isabelle Arsenault, übers. v. Ina Pfitzner [Orig. Titel: Jane, le Renard & Moi], ohne Altersangaben
Berlin: Reprodukt Verlag 2014, 104 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-943143-91-1

 

Weiterführende Links:
Reprodukt Verlag: Fanny Britt, Jane, der Fuchs und ich
Homepage: Isabelle Arsenault (frz.)

 

Andreas Markt-Huter, 08-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Fanny Britt

Buchtitel

Jane, der Fuchs und ich

Originaltitel

Jane, le Renard & Moi

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Reprodukt Verlag

Illustration

Isabelle Arsenault

Übersetzung

Ina Pfitzner

Seitenzahl

104

Preis in EUR

29,90

ISBN

978-3-943143-91-1

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Fanny Britt ist eine kanadische Theaterautorin, die nicht nur eigene Stücke auf die Bühne gebracht, sondern auch zahlreiche moderne Theaterstücke ins Französische übertragen hat. Zudem hat sie sich einen Namen als Kinderbuchautorin gemacht und mit “Jane, der Fuchs und ich” nun ihr erstes Comicszenario verfasst.<br />Isabelle Arsenault wurde  in Sept-Iles, Quebec geboren und zählt zu den renommiertesten Kinder- und Jugendbuch-Illustratorinnen Kanadas. Jane, der Fuchs und ich” ist ihr Comic-Debüt.