Hannele Huovi, Die Federkette

„Ich hatte eine besondere Gabe und ein besonderes Können. So etwas hat nicht jeder. Die Vögel umflattern nicht jedes junge Mädchen und lassen sich auf seinen ausgebreiteten Armen nieder. Der Zauber, den mein Können mit sich brachte, lockte die Vögel an.“ (11)

In Eleisas Welt geschehen unheimliche Dinge. Die Schatten trennen sich von den Menschen und Abneigung und Hass gegen alles Fremde lassen die Herzen und Gefühle erkalten. Auch Eleisas Eltern sprechen nur mehr das notwendigste miteinander. Sie selbst fühlt sich am wohlsten in der Welt der Vögel, sie liebt sie und hat die Gabe, die Sprache der Vögel und ihre Geheimnisse zu verstehen. Als sie sich eines Tages wieder in die Welt der Vögel begibt und den Flug eines jungen Falken bewundert, geschieht ein Unglück.

Eleisa ist begeistert von den Flugkünsten des Falken, dem Sohn des Königs der Vögel. Als sie sich nach dem Vogel ausstreckt und ihn am Fuß packt, hackt ihr der Falke ins Gesicht, sodass sie ihr Augenlicht verliert. Plötzlich erheben sich aus den versammelten Vögeln Stimmen, dass der junge Falke bestraft werden müsse. Obwohl das Mädchen, das von den Vögeln Doppelgesicht genannt wird, auch die Bestrafung Eleisas verlangt, fühlt sie sich Eleisa verbunden und steht ihr hilfreich zur Seite.

Der Falke und Eleisa werden gleichermaßen vom Gericht der Vögel für schuldig befunden und zur Strafe mit einer Federkette aneinander gekettet. So an ein gemeinsames Schicksal gebunden, macht sich das ungleiche Paar, der selbstverliebte Sohn des Vogelkönigs und das blinde, mitfühlende Mädchen, auf den Weg zu einem alten Weiblein, von dem sie sich Hilfe erhoffen: der Falke seine Freiheit und Eleisa ihr Augenlicht. Bevor die beiden das Haus der alten Hexe erreichen, treffen sie auf Doppelgesicht, die bereits auf das Mädchen und den Falken gewartet hat.

Die Hexe erweist sich als freundlich. Sie kann den beiden zwar nicht direkt helfen, weiß aber, dass sich auf dem Berg die heilende Quelle befindet. Den Weg dorthin soll Eleisa finden. „Das Mädchen sieht ohne Augen. Das Mädchen weiß Bescheid.“ (49) Um am Leben zu bleiben, sollten Eleisa und der Falke aber erst die Schwester der Hexe aufsuchen, die ihnen dann den weiteren Weg weisen würde. Der weitere Weg erweist sich als mühsam und vor allem der Falke ist nicht bereit, auf die blinde Eleisa Rücksicht zu nehmen. Doch ihre gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnisse bringen die beiden einander allmählich immer näher.

Gleichzeitig wechselt Doppelgesicht immer wieder in die Welt der Menschen zurück, wo sich die Schatten immer weiter von den Menschen entfernt haben und manipulierende Kräfte die Gesellschaft immer kälter und autoritärer werden lassen.

Hannel Huovi erzählt die fantastische Geschichte zweier unterschiedlicher Wesen, die durch ein unzerstörbares Band aneinander gekettet sind und erst allmählich Verständnis, Mitgefühl und eine Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Es ist eine wunderschöne Parabel darüber, dass nur ein Miteinander letztendlich zur Freiheit führt, während Ablehnung und Hass die Freiheit vertreiben und den Menschen von sich selbst entfremden.

Ein außergewöhnliches und überaus empfehlenswertes Buch, in dem die Themen Fremdsein, Toleranz, Verständnis und Mitgefühl auf poetische Weise verbunden werden, und das nicht nur junge Leserinnen und Leser zu berühren vermag.

Hannele Huovi, Die Federkette. Übers. v. Anu Stohner [Orig. Titel: Höyhenketju], ab 11 Jahren
München: Hanser Verlag 2014, 240 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-446-24628-7

 

Weiterführender Link:
Hanser Verlag: Hannele Huovi, Die Federkette

 

Andreas Markt-Huter, 04-02-2015

Bibliographie

AutorIn

Hannele Huovi

Buchtitel

Die Federkette

Originaltitel

Höyhenketju

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Hanser Verlag

Übersetzung

Anu Stohner

Seitenzahl

240

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-446-24628-7

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Hannele Huovi wurde im finnischen Kotka geboren und gehört zu den bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchautoren Finnlands. Zu ihren knapp 40 Werken gehören Märchen, Fabeln, Gedichte, Romane, Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher.