I. C. Springman, Mehr . . . immer mehr!

Wie viel muss ein Mensch besitzen, bis er genug hat? Eine Frage, die nicht nur für Kinder und Jugendliche interessant erscheint, sondern auch Erwachsene zum Nachdenken anregen kann.

„Mehr … immer mehr!“ beginnt mit dem Bild einer einsamen und überaus deprimiert wirkenden Elster. Auf der oberen linken Hälfte der Doppelseite sehen wir nur das Wort „Nichts“. Relativ klein und unscheinbar geschrieben dringt es mit einer Wucht in das Auge des Betrachters und lässt reflexartig „mehr“ erwarten.

In den folgenden Seiten kommt immer mehr Bewegung in das Geschehen. Eine kleine Maus schenkt der traurigen Elster eine bunte Glasmurmel, die der Vogel sofort in sein leeres Nest trägt. Ein erwartungsvoller Blick der Elster und das Wort „Etwas“ auf der Doppelseite rechts oben kündigen das große Sammeln und Horten an, wobei gerade österreichische Leserinnen und Leser die alte österreichische 1-Schilling-Münze mit dem Edelweiß als Kopfbild besonders in Auge fallen wird.

Auffallend ist auch der nummerierte Vogelring, der die Elster in eine Beziehung zu den Menschen stellt. Der Text bleibt auf unbestimmte Zahlwörter reduziert, zunächst aufsteigend: wenig, einiges, mehr, immer mehr, viel, reichlich, etwas zu viel, zu viel, viel zu viel, genug, mehr als genug, alles. Schließlich wieder fallend: Weniger, viel weniger, nicht mehr viel, gar nicht viel, genug, ja genug.

Während die Elster wahllos immer gieriger Dinge wie Schlüssel, Kette Sonnenbrille, Löffel, Zahnbürste, Messer, Uhr u.v.m. herbeischleppt, beobachtet die Maus aus der Distanz, das merkwürdige Verhalten der Elster, das sie durch ihr Geschenk ausgelöst hat, bis schließlich die Katastrophe über die Elster hereinbricht. Am Ende hilft sie ihr sich von ihrem gesammelten Reichtum wieder zu befreien.

„Mehr …immer mehr!“ ist ein überaus tiefgründiges Bilderbuch, das sich mit der Frage „wie viel brauchen wir zu unserem Glück?“ und „wann macht die Jagd nach materiellen Reichtum unfrei und unglücklich?“ auseinandersetzt. Viel davon ist schon Teil des kindlichen Erfahrungshorizonts, wenn die Auswahl von Geschenken in regelmäßigen Intervallen aktuell wird.

Thematisiert wird aber auch die Eigendynamik des Hortens, des „Immer-mehr-haben-wollens“, von dem sich mancher nur schwer wieder alleine losreisen kann und Hilfe braucht. Der abbrechende Ast am Höhepunkt der Geschichte steht aber auch symbolisch für ein System, das irgendwann zusammenbricht und uns unter ihren materiellen und gesellschaftlichen Abfallprodukten begräbt.

Ein Buch mit schönen und klaren Bildern, das beim zweiten Durchsehen immer mehr zum eigenen und gesellschaftlichen Spiegel wird und deren reduzierter Text zu einer Enzyklopädie unserer menschlichen Wirklichkeit heranwächst. Ein faszinierendes und empfehlenswertes Buch zum gemeinsamen Lesen und Diskutieren für junge und alte Leserinnen und Leser.

I. C. Springman, Mehr . . . immer mehr! Ill. v. Brian Lies, übers. v. Christiane Lawall [Orig. Titel: More], ab 4 Jahren
Berlin: Annette Betz Verlag 2013, 40 Seiten, 17,50 €, ISBN 978-3-219-11555-0

 

Weiterführender Link:
Annette Betz Verlag: I. C. Springman, Mehr . . . immer mehr!

 

Andreas Markt-Huter, 26-02-2014

Bibliographie

AutorIn

I. C. Springman

Buchtitel

Mehr . . . immer mehr!

Originaltitel

More

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Annette Betz Verlag

Illustration

Brian Lies

Übersetzung

Christiane Lawall

Seitenzahl

40

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-219-11555-0

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

I. C. Springman lebt so schlicht und simpel wie möglich zusammen mit ihrem Mann, drei Hunden und vielen Büchern im Süden der USA. Das Buch hat sie ihrem Enkel gewidmet, in der Hoffnung, dass es eines Tages einmal genug für alle geben wird.<br />Brian Lies ist Autor und Illustrator von mehr als zwei Dutzend Kinderbüchern. Er lebt mit Frau, Tochter und zwei Katzen in Massachusetts.