Lemony Snicket, Dunkel

„Leo fürchtet sich vor dem Dunkel. Das Dunkel wohnte im selben Haus wie Leo, einem großen Haus mit einem knarrenden Dach, glatten, kalten Fensterscheiben und allerlei Treppen.“

Alles was wir nicht kennen, was im Dunkeln liegt verursacht Unsicherheit und Angst. Das ist bei Kindern so und verhält auch bei Erwachsenen meist nicht anders. Lemony Snicket geht in seinem Bilderbuch dem „Dunkel“ auf den Grund und zeigt, wie es seinem kleinen Helden Leo gelingt, mit seiner Angst zurecht zu kommen.

„Leo fürchtet sich vor dem Dunkel.“ Diesem „Dunkel“ begegnet er überall in seinem Haus. Die Lichter und Schatten werfen merkwürdige bedrohliche Figuren in den Raum und das knarrende Dach und die kalten Fensterscheiben tun ihr übriges zu diesem bedrohlichen kalten Gefühl dazu.

Das Dunkel scheint sich überall zu verstecken, z.B. im Schrank oder Bad. Der gefährlichste Ort ist aber der dunkle Keller, wo sich das „Dunkel“ am Tag zurückzieht, um sich in der Nacht wieder im Haus auszubreiten. Jeden Morgen muss Leo wie gebannt einen Blick in den Keller auf das Dunkel zu werfen, um sicher zu gehen, dass es auch dort ist, wo es hingehört.

Leo schläft in seinem Zimmer mit eingeschaltetem Licht und einer Taschenlampe. Doch eines Tages passiert es: Das Dunkel kommt ihn in seinem Schlafzimmer besuchen.

„Die Stimme des Dunkels war so knarrend wie das Dach des Hauses und so glatt und kalt wie die Fensterscheiben, und obschon das Dunkel dicht neben Leo war, klang seine Stimme, als komme sie von ganz weit weg.“

In „Dunkel“ vereinen sich Autor und Illustrator zu einer meisterhaften Symbiose. Wie sich die Sprache Lemony Snickets zwischen bedrohlichen und hoffnungsvollen Zwischentönen bewegt, lässt auch Jon Klassen die Darstellung seiner beiden Hauptakteure, den kleinen Leo und das große Dunkel in einem Wechselspiel, Annähern und Entfernen, erscheinen.

Besonders reizvoll ist das Spiel der Farben, das Spiel von Hell und Dunkel, das sich selbst in der Schrift widerspiegelt, wo jene Texte, die Leo betreffen in schwarzer Schrift vor hellem Hintergrund und die Texte, die das Dunkel meinen, in weißer Schrift vor dunklem Hintergrund gehalten sind, womit die Dialoge der beiden kongenial ins sinnliche überführt werden.

Selten lässt sich so gekonnt in Text und Bild eine dichte Stimmung aus Angst, Einsamkeit und Neugier in Szene gesetzt finden, wie es dem Duo Snicket und Klassen in ihrem Buch gelingt. Und auch die Pointe und Lehre aus dem Buch hinterlässt weniger ein befreiendes Aufatmen, als ein verständnisvolles Wissen, das im ruhigen Scheine des aufkommenden Lichts zurück bleibt. Ein überaus empfehlenswertes und ausdrucksstarkes Kinderbuch, das auch ältere Leserinnen und Leser tief zu bewegen vermag.

Lemony Snicket, Dunkel. Ill. v. Jon Klassen, ab 4 Jahren
Zürich: Nord-Süd Verlag 2014, 48 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-314-10211-0

 

Weiterführende Links:
Nord-Süd Verlag: Lemony Snicket, Dunkel
Wikipedia: Lemony Snicket
Wikipedia: Jon Klassen

 

Andreas Markt-Huter, 14-11-2014

Bibliographie

AutorIn

Lemony Snicket

Buchtitel

Dunkel

Originaltitel

The Dark

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Nord-Süd Verlag

Illustration

Jon Klassen

Übersetzung

Thomas Bodmer

Seitenzahl

48

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-314-10211-0

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Lemony Snicket, eigentlich Daniel Handler, wurde in San Francisco geboren und ist ein erfolgreicher US-Schriftsteller und Drehbuchautor mit deutschen Wurzeln. Darüber hinaus ist er Musiker und war u. a. Mitglied der New Yorker Band Magnetic Fields. Unter dem Pseudonym Lemony Snicket veröffentlichte Handler 1999 „A Series of Unfortunate Events“.<br />Jon Klassen stammt aus Ontario, Kanada. Sein Bilderbuch „Wo ist mein Hut“ wurde bereits in siebzehn Sprachen übersetzt. Er lebt in Los Angeles und tüftelt dort an seinen neuesten Geniestreichen.