Linzi Glass, Die Farben der Freundschaft

„Die einen achtet man, die anderen aber nicht? Was ist mit eurer Maxime, alle Menschen sind gleich´?“ Ich fuchtelte mit den Armen vor ihnen. „Oder gilt das nur wahlweise? Schwarz und Weiß ja, Englischsprachige und Afrikaanssprachige nein.“ (71)

„Die Farben der Freundschaft“ führt die Leserinnen und Leser mitten hinein in das Jahr 1976, als die Apartheitspolitik in Südafrika mit dem Unterrichtsboykott der Schüler in Soweto und der Niederschlagung ihrer Demonstration einen blutigen Höhepunkt erreichte.

Ruby Winters, ein siebzehnjähriges, sportliches Mädchen besucht die angesehen englischsprachige Barnaard-Highschool, wo sie als Vertrauensschülerin eine wichtige Rolle spielt. Rubys Vater ist ein angesehener Rechtsanwalt, der vor allem nach Fällen suchte, „bei denen er die entrechteten Schwarzen unterstützen konnte.“ (13) Ihre Mutter besitzt die Kunstgalerie „Annabel“, einer der bekanntesten Galerien von Johannesburg, in der nicht nur angesehensten Künstler des Landes ausstellen, sondern auch Werke von unbekannten und unliebsamen Talenten zu sehen sind.

Beide sind kategorische Gegner der südafrikanischen Apartheitspolitik, in deren Haus heimlich Treffen des African National Congress stattgefunden haben, bis die Sache schließlich doch zu gefährlich worden ist. Ruby führt in diesem gesellschaftlichen Umfeld ein spannungsgeladenes Leben. Heimlich teilt sie die liberalen Einstellungen ihrer Eltern, die sich aktiv gegen die Apartheitspolitik auflehnen, während in ihrer Schule nicht nur die gesetzliche Trennung zwischen Schwarzen und Weißen, sondern auch die deutliche Abgrenzung zwischen englischsprachigen und afrikaanssprachigen Weißen gelten.

Ruby fällt es immer schwerer in der Schule ihre wahre Einstellung zu verbergen, ganz besonders, als ihrer Mutter im jungen Maler Julian Mambasa ein neues verheißungsvolles Talent entdeckt, der bis zum Beginn der geplanten Ausstellung heimlich im Haus ihrer Eltern wohnen und arbeiten wird und mit dem sie bald eine tiefe Freundschaft und Vertrautheit verbindet.

„Wie konnte es sein, dass in einer Zeit, in der Menschen misshandelt wurden, Kinder Hunger litten, Familien getrennt wurden und einander monatelang nicht sahen, in der die Schulkinder in Soweto nicht genügend Bleistifte in ihren spartanisch ausgestatteten Klassenzimmer hatten – wie konnte es sein, dass wir in dieser Zeit Hockey spielten, Trophäen im Springreiten gewannen, Schwimmwettkämpfe austrugen und bei Korbballspielen in der Halbzeitpause genüsslich Limonade schlürften und selbst gebackene Kekse aßen?“ (44)

Bei einem Rugbyspiel zwischen der englischsprachigen Barnard-Highscholl und der afrikaanssprachigen Steunmekaar-Highschol fällt Ruby deren Mannschaftsführer Johann Duikster besonders ins Auge. Beim Warten auf das Auto ihres Vaters lernt sie Loretta kennen. Zwischen den beiden Mädchen entsteht eine tiefe Freundschaft und als sich nach einem Besuch bei Loretta herausstellt, dass Johann ihr Bruder ist, verliebt sie sich in den freundlichen und sympathischen Jungen. Sowohl Johann als auch Loretta lehnen die Einstellung ihres Vaters, eines strengen Befürworters der Apartheid, ab.

Ruby Eltern betrachten Rubys Freundschaft mit der afrikaanssprachigen Loretta und ihrem Bruder mit Skepsis und Sorge, vor allem weil die Ausstellung mit Julian immer näher rückt und die Überwachung und die Drohungen der südafrikanischen Geheimpolizei zunehmen. Hin- und hergerissen gerät Ruby an ihrer Schule immer mehr ins Abseits und in die Isolation, während sich die Freundschaft zu Ruby und Johann immer mehr vertieft. Als die heimliche Eröffnung der Ausstellung von Julians Bildern von der Geheimpolizei gestürmt wird und bald darauf in Soweto die ersten Unruhen ausbrechen, bricht für Ruby eine Welt zusammen.

Linzi Glass gelingt es in einer meisterhaften Erzählung das gesellschaftliche Problem der Unterdrückung und Ausgrenzung in seiner individuellen persönlichen Tragweite zu zeigen und geschickt mit einer Liebesgeschichte a la Romeo und Julia zu verbinden. Dabei lässt sie die bestehenden gesellschaftlichen Abgrenzungen verschwinden, indem sie ihren Blick gezielt auf das Individuum richtet und dadurch in einer Welt, die nur zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Engländern und Buren unterscheidet, die Einzelperson wieder zum Vorschein kommen lässt.

Sie zeigt, wie über die vorgeschriebenen Grenzen hinweg Beziehungen und Freundschaften entstehen können und die alten Vorurteile absurd erscheinen lassen. Ein aufregend verarbeitetes Stück Zeitgeschichte, das Toleranz, Menschlichkeit und den Abbau von Vorurteilen in den Mittelpunkt stellt und zum Nachdenken einlädt. „Die Farben der Freundschaft“ ist ein überaus empfehlenswerter Jugendroman, der von ersten Seite an seine Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht und bis zur letzten Seite nicht mehr loslassen wird.

Linzi Glass, Die Farben der Freundschaft. Übers. v. Ulli und Herbert Günther [Orig. Titel: Ruby Red], ab 13 Jahren
München: Hanser Verlag 2012, 224 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-446-23891-6

 

Weiterführender Link:
Hanser Verlag: Linzi Glass, Die Farben der Freundschaft

 

Andreas Markt-Huter, 19-06-2013

Bibliographie

AutorIn

Linzi Glass

Buchtitel

Die Farben der Freundschaft

Originaltitel

Ruby Red

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Hanser-Verlag

Übersetzung

Ulli und Herbert Günther

Seitenzahl

224

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-446-23891-6

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Die Autorin Linzi Glass, in Johannesburg, Südafrika geboren, ging als Jugendliche in die USA. Sie hat zahlreiche Artikel, Bühnenstücke, Drehbücher und Kurzgeschichten geschrieben. Linzi Glass lebt heute mit ihrer Tochter in Los Angeles.