Nina Blazon, Lillesang - Das Geheimnis der dunklen Nixe
„Sandige Hände wühlten sich aus dem Sand, grabschten nach ihr, krallten sich in den Saum ihrer Jeans. Das Lied war lauter geworden, der glockenhelle Klang schnürte Jo die Kehle zu, so traurig und sehnsuchtsvoll war die Melodie. Und dann hatte sie das Mädchen fast eingeholt.“ (85)
Immer, wenn von Wasser und Meer die Rede ist, reagiert Jolandas Mutter geradezu panisch. Sie verbietet ihr sogar mit ihrer Freundin Tanja deren Verwandte am Meer zu besuchen. Als Inges letzte Verwandte Mette stirbt, muss sie nach Dänemark fahren, um den Nachlass zu regeln. Jolanda, kurz Jo genannt, und ihr Vater Tom begleiten sie, auch wenn die Aussicht, dass Mettes Strandhaus am Meer liegt, Jos Mutter Angstzustände bereitet.
Jos Mutter will das Häuschen am Meer so schnelle wie möglich verkaufen und lässt sich von Jo und Tom nur schwer überreden, die Hinterlassenschaft ihrer verstorbenen Verwandten anzusehen. Der Verwalter Martin Jansen bietet ihnen seine Hilfe und eine Wohnmöglichkeit während dieser Zeit an. Jo freundet sich sofort mit Jansens Tochter Julie an, die von Zombies, Werwölfen, Vampiren und anderen Monster begeistert ist. Mit ihrem älteren Bruder Mads, der sie zunächst nur nervt, hatte Jo schon bei der Ankunft am Ort eine kleine Auseinandersetzung.
Jo erscheint das Verhalten ihrer Mutter zunehmend merkwürdiger. Sie wirkt verängstigt und gereizt und Jo ist sich sicher, dass ihre Mutter etwas zu verbergen hat. Als sie Mettes Haus besuchen, besteht Inge darauf, zunächst allein in das Haus zu gehen. Die Sache wird immer merkwürdiger als plötzlich Bente, eine alte Freundin Mettes, auftaucht. Sie bietet ihre Hilfe bei der Regelung der Nachlassenschaft an und wird für Jos Geschmack von ihrer Mutter viel zu rasch und zu tief ins Vertrauen gezogen.
Bald schon ereignen sich merkwürdige Dinge. In Mettes Haus finden Jo, Julie und Mads merkwürdige Gegenstände. Eine Harpune, die sie fotografiert haben, verschwindet. Aber auch die mysteriöse Bente, die von gruseligen Meeresungeheuern erzählt, zeigt rasch ihre beiden Gesichter: eine übertrieben freundliche und eine zornig aufbrausende Seite. Zu Halloween glauben sich die Kinder von einem merkwürdigen Wesen verfolgt, vor dem sie sich nur mit knapper Not ins Haus retten können.
Eines Abends wird Jo von einem fremden magischen Gesang geweckt wird und bemerkt, dass Julie sich wie in Trance in Richtung Meer bewegt. Gemeinsam mit Mads versucht sie das Mädchen zurück zu holen, als sie plötzlich aus dem Meer angegriffen wird. Nur mit Bentes Hilfe gelingt es ihr, sich in Sicherheit zu bringen. Mette offenbart sich als eine Art Nixenjägerin, die Mette vor dem Fluch der „dunklen Nixe“ beschützen wollte und erzählt vom Fluch der Nixe, der schon seit alten Zeiten auf Jos Familie liegt und stets aufs Neue ein Menschopfer fordert.
Mit ausgefeilter Dramaturgie versteht es Nina Blazon gekonnt den Spannungsbogen langsam und gezielt immer höher zu schrauben und von einer Familiengeschichte ins Fantasy Genre zu wechseln. Die zahlreichen unerwarteten Wendungen lassen die jungen Leserinnen und Leser bis zum Schluss über den Ausgang der Geschichte im Unklaren. Die geschickte Verknüpfung mit Hans Christian Andersens Geschichte von der kleinen Meerjungfrau, der durchwegs logische Aufbau und die ausdrucksstarken jugendlichen und erwachsenen Charaktere machen „Lillesang“ zu einem überaus empfehlenswerten Fantasyroman, der mit einem kleinen Schuss „Horror“ garniert ist und nicht nur junge Leserinnen und Leser begeistern wird.
Nina Blazon, Lillesang - Das Geheimnis der dunklen Nixe. Ill. v. Iris Luckhaus, ab 10 Jahren
München: cbt Verlag 2014, 416 Seiten, 17,50 €, ISBN 978-3-570-16287-3
Weiterführende Links:
cbt Verlag: Nina Blazon, Lillesang - Das Geheimnis der dunklen Nixe
Wikipedia: Nina Blazon
Andreas Markt-Huter, 05-06-2015