Olivier Tallec, Ludwig I, König der Schafe
„Und so wurde Ludwig der Schafbock eines sehr windigen Tages zu Ludwig I., König der Schafe. »Für einen König gehört es sich, ein Zepter zu haben, damit er regieren kann«, sagte sich Ludwig I. alsbald.“
An einem stürmischen Tag, die Schafe weiden friedlich auf der Wiese, fliegt dem Schafsbock Ludwig ganz unversehens eine blaue Krone vor die Füße. Und da bekanntlich Kleider Leute machen und Kronen Könige, richtet sich Ludwig zu seiner vollen Größe auf und stolziert mit herrschaftlichem Stolz und seiner Krone auf dem Kopf durch die Schafherde, seine Untertanen.
Um zu regieren macht er einen Ast zu seinem Zepter und findet auf einem Baum seinen Thron, von wo aus er Recht sprechen will. Ein großes Königsbett soll allen seinen Untertanen das Glück bieten, an seinem Schlaf teilzuhaben.
Ludwig I. wäre kein König, würde er nicht immer wieder zu seinem Volk sprechen, auf die königliche Jagd nach Löwen, Hirschen und Wildschweinen gehen oder durch seinen königlichen Garten spazieren.
Aber auch die Kunst darf bei einem König ebenso wenig zu kurz kommen, wie Audienzen von Tieren aus allen Teilen der Welt. Daneben glaubt Ludwig I. aber auch für die Ordnung im Königreich sorgen und seinem Volk soldatischen marschieren beibringen zu müssen.
Am Ende will Ludwig I. nur noch die schönsten Schafe um sich haben und alle anderen werden vertrieben. Bis eines Tages wieder einmal ein heftiger Sturm aufkommt.
Olivier Tallec erzählt eine tiefgründige Fabel über die Gefahren der Macht, über das Bewusstsein etwas Wichtigeres, Herausgehobenes zu sein und entlarvt es Illusion. Mit wenigen Worten und ausdrucksstarken Bildern erleben die Leserinnen und Leser die Entwicklung des Schafsbockes vom Schaf unter Schafen zum König der Schafe mit.
Dabei schaut der Schafbock, als ihm die Krone zufliegt, sich zunächst noch verstohlen um, ob wohl niemand bemerkt, wie er zu seinem Königtum kommt. Doch schon im nächsten Augenblick nimmt er königlich Haltung an, auch wenn es keins der anderen Schafe interessiert. Nur ein Schaf und der Wolf beobachten ihn.
Wird zu Beginn noch das „Recht“ als ein etwas wichtiges Anliegen betrachtet, treten immer mehr der König selbst und seine persönlichen Interessen in den Mittelpunkt bis sich dieser als absoluter Machthaber präsentiert, der willkürlich seine Gunst verteilt und verwehrt. Am Ende des überaus empfehlenswerten Bilderbuches, das Kinder ebenso begeistern wird wie Erwachsene, bleibt die Erkenntnis, dass ein Schaf, ob mit oder ohne Krone, nicht mehr oder weniger bleibt als ein Schaf bleibt.
Olivier Tallec, Ludwig I, König der Schafe. Ill. v. Olivier Tallec, übers. v. Thomas Bodmer [Orig. Titel: Louis 1er, le Roi des moutons], ab 5 Jahren
Zürich: Nord Süd Verlag 2015, 40 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-314-10308-7
Weiterführende Links:
Nord Süd Verlag: Olivier Tallec, Ludwig I, König der Schafe
Wikipedia: Olivier Tallec (frz.)
Andreas Markt-Huter, 17-02-2016