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Heftige Liebe dauert oft über Jahrzehnte an, vor allem, wenn sie abrupt beendet wird.

Gabriele Weingartner schickt im Roman „Die Hunde im Souterrain“ das Liebespaar Felice und Ulrich durch die akademische Welt Berlins der 1970er Jahre. Während sie zu einander zu finden versuchen, sind sie umtost von weltpolitischen Angelegenheiten und dem Strom der Weltliteratur, worin sie heftig lesen und zitieren. Immerhin startet er gerade eine akademische Karriere als Politologe, während sie sich überlegt, ob eine Dissertation über Hermann Broch günstig sein könnte für wen auch immer.

„Es heißt oft, die Vergangenheit sei ein anderes Land, und in den zurückliegenden rund 550 Jahren, die in diesem Buch behandelt werden, hat man vieles anders gemacht als in der Gegenwart.“ (27)

Der irische Historiker Brendan Simms zieht Mitteleuropa und im speziellen den deutschen Raum in den Fokus seiner historischen Betrachtungen. Wegweisend bemerkt er gleich zu Beginn seiner Darstellung: „Das vorliegende Buch ist keine Geschichte Deutschlands, sondern eine deutsche Geschichte Europas.“ (9)

Trotz aller Bemühungen um eine ausgewogene Geschichtsvermittlung, schaffen es Andreas Hofer mittlerweile auf diverse Käseverpackungen und Zu Mantua in Banden in die Hitlisten diverser Landtage, von einer Geschichte der Juden in Tirol weiß hingegen kaum jemand etwas.

Horst Schreiber stellt vor das Porträt des Abraham Gafni daher einen historischen Essay über das jüdische Leben in Tirol. Und da kommt es gleich zu einer Begegnung zwischen dem Mythos Andres Hofer und dem jüdischen Leben. Als die Hofer-Bande 1809 Innsbruck wieder erobert, grölt sie durch die Altstadt und macht sich über die wenigen Juden her, die in Innsbruck damals ansässig sind. Quasi zur Belohnung dichtet 1831 Julius Moser, ein deutscher Burschenschafter mit jüdischen Wurzeln, das berühmt-berüchtigte „Zu Mantua in Banden“ zusammen“. (14)

In einer Gesellschaft, in der an manchen Tagen ausschließlich Börsen-orientierte Kalkulationen als Gedankengänge zulässig sind, haben es Diskurse über alles, wo keine Zahlen vorkommen, ziemlich schwer.

Günther Oberhollenzer legt sich die Latte gleich doppelt hoch, verwendet er doch Begriffe wie Liebe und Kunst, die mit Zahlenmaterial natürlich nicht zu bewältigen sind. Seine drei Grunderfahrungen zum Thema stammen aus einem aufwühlenden Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck, aus seinen kuratierenden Tätigkeiten unter anderem in Südtirol und seiner „Hausaufgabe“ am Essl Museum.

„Mehr noch, durch die »Strukturreformen« hat sich die Europäische Währungsunion in einen Mechanismus zur Förderung von Rezession, hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Wachstumsraten in ganz Europa verwandelt.“ (17)

Die Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas setzen sich in ihrem Sachbuch in zwei Abschnitten mit den Hintergründen der Krise der Eurozone auseinander, wobei im zweiten Abschnitt die „griechische Katastrophe“ im Zentrum der Darstellung steht. Erschreckend dabei erscheint, wie genau die Krise und die Reaktion der europäischen Mitgliedsländer im Euro vorhergesagt werden.

In der Innsbrucker Buchhandlung Haymon sind es zwei jähe Erscheinungen, die das Herz des Besuchers jeweils kurz anhalten, ehe es gut getaktet weiterschlagen darf.

Zum einen ist es die Architektur einer Blackbox, die den Kunden gleich in einen anderen Zustand beamt, und zum zweiten ist es das großflächige Angebot an Werk- und Gesamtausgaben. Luftig aufgestellt liegen diese bunten Quader in den oberen Regalen und verheißen nichts anderes als vollkommene und vollständige Literatur.

Die meisten Zeitgenossen nehmen Südtirol als Durchreisende am Talboden oder auf  Hangautobahnen wahr, sie würden ordentlich staunen, stiegen sie kurz aus und schauten nach oben.

Tatsächlich gibt es in Südtirol so etwas wie die „Oberschicht“, die knapp unterm Himmel in völliger Freiheit in einer eigenen Kultur wohnt. Diese Bergbauern kultivieren meist das Land knapp an der Baumgrenze, freilich können ihre Wirkungsstätten auch durchaus tiefer liegen, wenn es sich etwa um „Bergbauern des Weins“ handelt.

In einer Saga ist einerseits so viel los, dass kaum ein Erzähler mit der Dokumentation der Ereignisse fertig wird, andererseits tut sich fast nichts, außer dass Helden ihr Heldenleben abspulen.

Johannes J. Voskuil nennt seinen zweiten Teil der siebenteiligen „Büro-Saga“ Schmutzige Hände. Eingeklemmt zwischen innerer Tobsucht und äußerer Korrektheit arbeiten sich die Helden an einer Gesellschaft ab, mit der sie kaum in einen zeitgleichen Kontakt treten. Dennoch geht die Angst um, dass man sich die Hände schmutzig machen könnte, wenn man nicht aufpasst, wo man hintritt und was man dabei sagt.

Dieser seltsame Zustand „zwischen“, quasi nicht Fisch und nicht Fleisch, oder „eingeklemmt“ wie es der Lyriker N.C. Kaser einmal genant hat, gilt am Kontinent als österreichische Kernmentalität: Nicht anstreifen, nicht dabei sein, nicht Farbe bekennen.

Judith Nika Pfeifer stellt zwölf Prosa-Sequenzen vor, die jeweils von einem Zwischenzustand, Zwischengefühl oder Zwischenreich handeln. Gleich zu Beginn wird ein „Zwischenfall“ eingefroren und zurück zum Ausgangspunkt geschickt.

Sprachminiaturen sind treffsichere abgerundete Fügungen, die sich wie Gebilde mit Widerhaken auf dem Filz des Alltags festsetzen.

Rudolf Kraus setzt mit dieser feinen additiven Methode, wo überraschende Wendungen wie Magnetsteine auf die Fläche gesetzt werden, durchaus großen Themen zu wie dem Tod. Nicht nur das nicht Voraussehbare, „wie wird denn wohl mein Tod ausschauen?“, spielt eine Rolle, sondern manche Ereignisse spitzen sich schon zu Lebzeiten so dramatisch zu, dass ihnen der Tod den Deckel drauf setzen muss. So kümmern sich die Sprachminiaturen nicht nur um die Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, sondern mindestens so heftig um die Ars vivendi, die Kunst des Lebens.